Hooligans provozieren Spielabbrüche, verabreden sich zu Massenschlägereien und kosten Vereine Millionen. Der deutsche Bundesgerichtshof hat die fanatischen Fanclub-Mitglieder nun zu Kriminellen erklärt. Österreich setzt indes auf Prävention.

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Lange Zeit standen Prügeleien auf der Tagesordnung von fünf ehemaligen Dresdner Hooligans. Nun stehen ihnen bis zu vier Jahre der Resozialisierung bevor – und zwar im Gefängnis. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat mit seinem Urteil neue Maßstäbe in der Verfolgung gewaltbereiter Fußball-Fans gesetzt: Künftig drohen Mitgliedern von Fußball-Fanclubs, deren Hauptzweck die Gewaltausübung ist, bis zu fünf Jahre Haft.

Diese Maßnahme erscheint als Reaktion auf die wachsende Hooligan-Szene in Deutschland: Wie die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze in ihrem jüngsten Bericht schreibt, ist in der Fußballsaison 2013/2014 die Zahl der Verhaftungen bei Spielen in der 1. und 2. Bundesliga um über 31 Prozent gestiegen. Darüber hinaus gab es um ein Fünftel mehr Strafverfahren und fast 108 Verletzte mehr als im Jahr davor.

Wiener Fanclubs als Aggressoren

Österreich verfügt über keine vergleichbare Auswertung, da Straftaten bei Sportveranstaltungen in der Kriminalstatistik nicht extra angeführt werden. Das Innenministerium kann daher schwer einschätzen, wie sich die hiesige Hooligan-Szene entwickelt. Ein Blick auf die Medienberichte der vergangenen Jahre legt jedoch nahe, dass vor allem Anhänger der Wiener Bundesliga-Vereine immer wieder für Konflikte verantwortlich sind: Seit 2010 haben Austria- und Rapid-Hooligans ihren Clubs mehrere Geisterspiele und Strafzahlungen in sechsstelliger Höhe eingebrockt.

Mitte November 2014 gab es die bisher letzte große Ausschreitung in der österreichischen Bundesliga: Beim 311. Wiener Derby feuerten Austria-Fans Feuerwerkskörper auf Rapid-Anhänger ab und versuchten sogar, die Tribüne zu stürmen. Die Bilanz: zehn Verletzte und drei Festnahmen.

Hooligans sind kein länderspezifisches Phänomen

Auch in anderen Ländern sind Fußball-Krawalle keine Seltenheit: In der deutschen Stadt Oberhausen lieferten sich Ende November 150 Männer eine Massenschlägerei nach einem Regionalliga-Spiel. Im Mai 2014 gab es vor dem Pokalfinale in Rom sogar eine Schießerei zwischen verfeindeten Hooligans, die mit neun Schwerverletzten und einem Toten endete.

Diese Tendenz mag auf den ersten Blick besorgniserregend wirken. Es ist aber nicht so, dass sich friedliebende Fußball-Fans nicht mehr ins Stadion trauen können: "Der normale Zuschauer ist für Hooligans uninteressant", sagt der Sozialwissenschaftler und langjährige Fußballforscher Roman Horak. "Fanatische Fußball-Fans haben es eher auf die Polizei und Mitglieder rivalisierender Fanclubs abgesehen." Darüber hinaus sei es falsch zu glauben, dass Hooligans vor allem aus Fanclubs mit langer Tradition hervorgingen. "Schläger finden sich eher in den Reihen kleiner, wenig bekannter Fanclubs. Diese greifen oft zu Gewalt, um auf sich aufmerksam zu machen", erklärt der Soziologe.

Österreich setzt auf Prävention

Urteile wie das des deutschen BGH hält Fußballforscher Horak für den falschen Weg, um den Vormarsch der Hooligans aufzuhalten. "Hohe Strafen schrecken Fanatiker nicht ab. Man verlagert das Problem nur, sprich man treibt sie in den Untergrund zu anderen Vereinen."

Ähnliches passierte im England der frühen 1990er-Jahre. Um Gewaltexzesse, unter denen die Fußballfans in den 1980er-Jahren gelitten hatten, zu verhindern, griff die Regierung damals zu radikalen Maßnahmen. Stehplätze in den Stadien wichen Sitzplätzen, zudem führte man in der obersten Spielklasse ein Alkoholverbot ein und erhöhte die Ticketpreise drastisch. Premier-League-Vereine wurden so für Hooligans uninteressant: Sie suchten sich Clubs in niedrigeren Spielklassen.

In Österreich setzt die Polizei seit Jahren auf Vorbeugung, um Ausschreitungen von Hooligans zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Ein probates Mittel ist zum Beispiel die "Gefährderansprache": Diese Bestimmung erlaubt es der Exekutive, verurteilte Hooligans bei Spielen ihres Vereins vorzuladen und sie über richtiges Verhalten bei Sportereignissen zu belehren. Zudem steht die Polizei in Kontakt mit Fanclub-Mitgliedern, um Gewaltpotenzial frühzeitig zu erkennen und zu neutralisieren.

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