Nach den Abgängen von mehreren Offensivspielern wie Kingsley Coman und Leroy Sane hat der FC Bayern Nicolas Jackson ausgeliehen. Ob der 24-Jährige eine gute Verstärkung ist? Vieles spricht dafür, einiges aber auch dagegen.

Ein Porträt
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Nicolas Jackson ist der Last-Minute-Transfer des FC Bayern München. Der Offensivspieler wechselt leihweise vom FC Chelsea zum deutschen Rekordmeister. Sportvorstand Max Eberl ist überzeugt: "Nicolas passt mit seiner Dynamik und Präsenz sehr gut in unser Anforderungsprofil, ist hungrig, wird unsere Möglichkeiten in der Offensive mit seinen Fähigkeiten erweitern und sofort eine Verstärkung für unsere Mannschaft sein."

Jackson kommt aus dem Senegal und wechselte im Alter von 18 Jahren nach Spanien. In der Spielzeit 2022/23 gelangen ihm für den FC Villarreal 12 Tore und vier Vorlagen in 26 Ligaspielen. Danach wurde er für eine Ablöse von 37 Millionen Euro vom FC Chelsea verpflichtet. Zwei Jahre verbrachte er dort. In 81 Pflichtspielen erzielte Jackson 30 Tore und bereitete 12 Treffer vor.

Warum der FC Chelsea solch einen Spieler ziehen lässt? Im Sommer fand ein großer Umbruch statt. Für Ablösen von rund 330 Millionen Euro wurden Spieler verkauft, auf der anderen Seite wurde ähnlich viel Geld für neue Spieler ausgegeben. Durch die Verpflichtungen von Liam Delap (35,5 Mio. Euro, Ipswich Town) und Joao Pedro (63,7 Mio. Euro, Brighton) wurde Jackson im Sturm zur dritten Wahl degradiert – und wollte weg.

Kaufoption für 65 Millionen Euro

Kurzzeitig schien der Wechsel zu scheitern, weil Delap sich verletzte und einige Wochen fehlen wird. Doch Chelsea fand eine andere Lösung, holte Stürmer Marc Guiu von seiner Leihe von Liga-Konkurrent Sunderland zurück und ließ Jackson nach München ziehen. Die Ausleihe soll laut der "Bild" eine Kaufoption über 65 Millionen Euro beinhalten. Bei einer sehr hohen Anzahl von Einsätzen wurde daraus eine Kaufpflicht werden, was allerdings eher unwahrscheinlich ist.

Beim FC Chelsea wurde Jackson meist als Mittelstürmer eingesetzt, kann allerdings auch auf anderen Positionen spielen. "Er ist ein Spieler, der in der Neuner-Position (Mittelstürmer, Anm.d.Red.), aber auch in der Zehner-Position (offensiver Mittelfeldspieler, Anm.d.Red.) immer wieder die Tiefe sucht", erklärt Sportdirektor Christoph Freund. "Er ist ein zentraler Spieler, der aber auch schon rechts und links gespielt hat, weil er einfach sehr, sehr viel Geschwindigkeit mitbringt."

Jackson wurde erst in Spanien zum Mittelstürmer umfunktioniert. "Als ich jung war, war ich der Zehner oder die falsche Neun, weil ich mich gerne viel bewege und mich tief fallen lasse", verriet er in einem Interview auf "chelseafc.com".

"Als ich nach Europa kam, hat Unai (Emery, Jacksons Trainer bei Villarreal) das geändert und mich als festen Neuner eingesetzt, der auf den Ball wartet, mehr im Strafraum spielt und versucht, hinter die Abwehr zu kommen." Dies war offenbar eine gute Entscheidung, denn Jackson entwickelte sich zum Top-Stürmer.

Die Chancenverwertung als Schwäche

Klar ist aber auch: Chelsea würde Jackson nicht gehen lassen, wäre er der perfekte Offensivspieler. Ein häufiger Kritikpunkt ist die Chancenverwertung. Vergangene Saison brauchte er in der Premier League im Schnitt 224 Minuten für einen Treffer.

Zum Vergleich: Harry Kane traf vergangene Bundesliga-Saison alle 92 Minuten, Jamal Musiala alle 150 Minuten. Hinzu kommt, dass die Formkurve von Jackson zuletzt nach unten zeigte: Bei seinen letzten 15 Liga-Einsätzen für Chelsea gelang ihm lediglich noch ein Treffer.

Beim FC Bayern könnte er als Backup von Kane agieren, wenn dieser eine Verschnaufpause benötigt. Solange Jamal Musiala verletzungsbedingt fehlt, könnte er auch in Rotation mit Serge Gnabry als offensiver Mittelfeldspieler agieren. Allerdings ist er kein klassischer Vorlagengeber (12 Vorlagen in 81 Spielen für Chelsea), sondern eher der Vollstrecker. Ein Einsatz auf den Flügeln wäre denkbar, falls es dort Verletzungsausfälle gibt.

Freund erwartet keine Anpassungsschwierigkeiten

Für die Gegenspieler ist Jackson unangenehm zu verteidigen. Mit dem Rücken zum Tor schirmt er den Ball ab, legt ihn mit einem schnellen Kontakt vorbei und überbrückt das Mittelfeld mit kraftvollen und großen Schritten. Bekommt Jackson im Strafraum den Ball zugespielt, entsteht ebenfalls oft Gefahr. Teilweise reicht eine schnelle Bewegung, um den Gegenspieler abzuschütteln und den Abschluss zu suchen.

Kurz gesagt: Er ist der Typ "Straßenfußballer", der die Zuschauer im Stadion begeistern kann. Zu einer echten Verstärkung für den FC Bayern wird er allerdings nur, wenn er effizient ist. Freund ist davon überzeugt, "dass er sehr gut in die Mannschaft passt und keine Anpassungsschwierigkeiten haben wird."

Funktioniert er auch als Joker?

Allerdings dürfte seine Rolle beim FC Bayern eine andere sein als zuletzt bei Chelsea. Dort war Jackson es gewohnt, von Anfang an auf dem Platz zu agieren. Vergangene Saison stand er in 31 von 37 Pflichtspieleinsätzen in der Startelf. Immerhin bewies er in vereinzelten Fällen, auch als Joker zu funktionieren. Ein Beispiel: Im Halbfinale der UEFA Conference League gegen Djurgårdens IF wurde er zur Halbzeit eingewechselt und erzielte zwei Treffer.

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Sofern er dies auch beim FC Bayern hinbekommt, wäre er eine sinnvolle Verstärkung. "Ich habe große Ziele und Träume", sagt er. "Ich hoffe, dass ich jedes Ziel und jeden Traum auch hier beim FC Bayern verwirklichen kann."

Verwendete Quellen