Bayern-Neuzugang Tom Bischof hat laut der Einschätzung von Lothar Matthäus viele Parallelen mit Joshua Kimmich. Er befürchtet allerdings, dass der Wechsel nach München zu früh kommt. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da.

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Kaum ist er beim FC Bayern München angekommen, da steht bereits das erste große Event an. Tom Bischof bereitet sich mit seiner neuen Mannschaft in Orlando auf die Klub-Weltmeisterschaft vor, die am 14. Juni beginnt. Der FC Bayern startet dann einen Tag später in Cincinnati gegen den neuseeländischen Meister Auckland City ins Turnier.

Bischof ist zwar erst 19 Jahre alt, könnte aber bereits eine wichtige Rolle einnehmen. Der zentrale Mittelfeldspieler gilt als eines der größten Talente des deutschen Fußballs und bringt die Erfahrung aus 56 Bundesligaspielen mit. Am Sonntag gab er sein Debüt für die deutsche A-Nationalmannschaft, als er im Spiel um Platz 3 der Uefa Nations League in der 65. Minute eingewechselt wurde.

Bischof wäre ohnehin zum 1. Juli ablösefrei nach München gewechselt. Der FC Bayern zahlte allerdings laut "Bild" eine Ablöse von 300.000 Euro an die TSG Hoffenheim, damit er drei Wochen früher zur Verfügung steht. Das dürfte bedeuten: Bischof hat bei der Klub-WM gute Chancen auf Einsatzzeit.

Matthäus hätte den Wechsel in ein, zwei Jahren empfohlen

Dennoch stellt sich die Frage, ob der Wechsel zum FC Bayern vielleicht zu früh kommt. "Bischof wäre für mich der Spieler gewesen, der in den nächsten ein, zwei Jahren reinkommt", sagte der frühere Bayern-Spieler Lothar Matthäus kürzlich im Interview mit der "Abendzeitung". Der Aufstieg von Bischof verlief rasant: "Er war eigentlich so der Joshua Kimmich oder Angelo Stiller bei Hoffenheim, der Spielgestalter."

Insgesamt ist zuletzt viel auf ihn eingeprasselt. "Bayern-Wechsel, Klub-WM, vorher noch die Nations League – ich hoffe, dass es der Junge verarbeitet, er scheint mir stabil zu sein. Aber es war jetzt ein bisschen viel", sagte Matthäus. "Das muss man mit 19 Jahren erst mal alles verarbeiten. Aber er ist sehr reif für sein Alter."

Fußballerisch hält Matthäus viel von Bischof. "Was er auf dem Fußballplatz bislang gezeigt hat, hat mir sehr gut gefallen", sagte er und brachte erneut den Vergleich zu Kimmich: "Ähnlich wie Kimmich schießt er die Eckbälle und Freistöße, wird gesucht von seinen Mitspielern. Und das mit 19 bei einem Bundesligaverein. Das zeigt dann schon, dass er in der Kabine und in der Mannschaft ein besonderes Standing hat."

Was Bischof anders macht als Kimmich

Der Vergleich zu Kimmich ist in mehrfacher Hinsicht passend. Kimmich wechselte im Sommer 2015 im Alter von 20 Jahren zum FC Bayern. Bischof feiert am 28. Juni seinen 20. Geburtstag. Mit seinen 1,76 Metern ist er nur ein Zentimeter kleiner als Kimmich. Beide werden vorwiegend im zentralen Mittelfeld eingesetzt und könnten beim FC Bayern daher sogar nebeneinander spielen.

Bischof strahlt sogar etwas mehr Torgefahr aus. Mit seinen fünf Bundesliga-Toren gelangen ihm vergangene Saison zwei Treffer mehr als Kimmich. Zudem gab er 51 Torschüsse ab, Kimmich lediglich 34. Dafür ist Kimmich der bessere Spielgestalter. Während er auf eine starke Passquote von 93 Prozent kam, unterliefen Bischof bei einer Passquote von 84 Prozent deutlich mehr Fehlpässe.

Kimmich ist mit einer Zweikampfquote von 63 Prozent auch durchsetzungsfähiger als Bischof (50 Prozent) und bereitete deutlich mehr Torschüsse vor (84:50). Klar ist: Bischof hat angesichts seines jungen Alters noch viel Potenzial, braucht dafür aber Spielzeit.

Sky-Experte Erik Meijer äußerte daher Zweifel, ob der Wechsel nach München der richtige Schritt ist. "Er ist ein sehr guter Spieler und bringt alles mit, was man als junger Spieler haben muss. Er hat auch den Vorteil, ein Linksfuß zu sein", sagte er im Interview mit unserer Redaktion. "Was man allerdings nicht kaufen kann, ist Erfahrung. Er muss spielen. Und ich bin mir nicht sicher, ob er die Spielzeit direkt bei Bayern München bekommen wird. Die Konkurrenz auf seiner Position im Mittelfeld ist sehr stark."

Wenn Top-Talente zum FC Bayern wechseln…

Der Blick in die Vergangenheit verrät: Einigen Talenten tat der frühe Wechsel nach München gut, anderen überhaupt nicht. Kimmich bekam als 20-jähriger Neuzugang viel Einsatzzeit beim FC Bayern, hatte gleich in seiner ersten Saison 36 Pflichtspiel-Einsätze und stand 25 Mal in der Startelf.

Es gibt noch weitere Top-Talente, die in München schnell zum Leistungsträger wurden. Alphonso Davies kam Anfang 2019 im Alter von 18 Jahren nach München und entwickelte sich nach einem halben Jahr Anlaufzeit zum Stammspieler. Kingsley Coman wechselte 2015 mit 19 Jahren nach München und wurde schnell zu einem Top-Spieler.

Doch es gibt eben auch Gegenbeispiele: Mathys Tel galt als das vielleicht größte Sturm-Talent der Welt, als er 2022 mit 17 Jahren nach München kam. In zweieinhalb Spielzeiten kam er allerdings nicht über die Rolle des Einwechselspielers hinaus. Zuletzt wurde er nach England an Tottenham Hotpur verliehen. Seine Zukunft ist offen.

Tom Bischof
Tom Bischof bei seinem Debüt für die deutsche A-Nationalmannschaft. © IMAGO/Ulmer/Teamfoto/Markus Ulmer

Weitere Negativbeispiele: Mittelfeldspieler Renato Sanches wechselte 2016 mit 18 Jahren zum FC Bayern, wurde den Erwartungen allerdings nicht gerecht. Nach gut einem Jahr wurde der Portugiese wieder weggeschickt – erst per Leihe, dann per Verkauf.

Stürmer Fiete Arp wechselte 2019 vom Hamburger SV nach München, verbrachte aber die ersten zwei Spielzeiten fast komplett bei der zweiten Mannschaft. Bei den Profis wurde er lediglich einmal im DFB-Pokal eingewechselt. 2021 erfolgte der Wechsel zu Holstein Kiel, für die er noch immer aktiv ist.

Nagelsmann hofft, dass Bischof in München bodenständig bleibt

Wie die Zukunft von Bischof beim FC Bayern aussieht, lässt sich schwer prognostizieren. Bundestrainer Julian Nagelsmann, der von 2021 bis 2023 den FC Bayern trainierte, lobte Bischof am Sonntag nach dessen Länderspiel-Debüt: "Ich habe ihn auf dem Feld und außerhalb des Feldes super gesehen, er ist ein super Junge, hat einen super Charakter."

Doch Nagelsmann weiß auch: "Er macht jetzt einen sehr, sehr großen Schritt zu einem riesigen Klub, wo natürlich deutlich mehr Einflüsse kommen in allen Lebensbereichen. Ich hoffe, dass er diese odenwälderische bodenständige Mentalität beibehält, das wäre super schön."

Sportlich bringe Bischof "sehr viel mit, eine gute Aggressivität, ein gutes Umschaltverhalten nach Ballverlust. Er ist ein sehr feiner Fußballer, der natürlich noch Schritte gehen muss. Er ist noch jung." Der eindringliche Wunsch von Nagelsmann lautet, dass er "so normal bleibt wie es irgendwie geht. Dann hat er auch eine große Chance auf eine gute Karriere."

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