Die DFB-Frauen stehen im Viertelfinale der EM, doch gegen Dänemark tut sich das Team von Christian Wück wie schon gegen Polen sehr schwer. Das ist kein Zufall, denn die Probleme sind schon länger bekannt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die beste und wichtigste Nachricht des Dienstagabends war: Deutschland gewinnt auch sein zweites Gruppenspiel bei der EM 2025. Gegen Dänemark drehten die DFB-Frauen einen 0:1-Rückstand in einen 2:1 Sieg.

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Damit steht das Team von Christian Wück im Viertelfinale. Dass man das nach nur zwei Spielen in einer sehr schweren Gruppe bereits geschafft hat, ist alles andere als selbstverständlich.

Und doch stellen sich nach den beiden wenig begeisternden Auftritten viele die Frage: Reicht das für mehr? Denn schon im ersten Spiel der K.o.-Phase wird mit Frankreich, England oder der Niederlande eine große Nation auf das deutsche Team warten.

DFB-Frauen haben große Probleme in Ballbesitz

Besorgniserregend ist vor allem das Spiel mit dem Ball. Im Spielaufbau hatten die Deutschen abermals keine besondere Idee, wie sie das dänische Bollwerk knacken sollen. Der Ballvortrag wirkte zufällig.

Festzumachen ist diese These daran, dass es nur ein Muster im Spiel nach vorn gab: Flanken. Die wiederum waren meistens schlecht. Schlecht geschlagen, aber auch schlecht vorbereitet, weil die Strafraumbesetzung nicht ausreichte, um Dänemark in Verlegenheit zu bringen.

28 Flanken registrierte der Statistikanbieter "Sofascore". Drei davon kamen an. Drei! Es war zwischenzeitlich eine regelrechte Flut an Hereingaben von Sarai Linder, Carlotta Wamser, Klara Bühl und Co., die nahezu allesamt beim Gegner landeten.

Dass Flanken mit einer Stürmerin wie Lea Schüller ein probates Mittel sein können, vielleicht sogar sein müssen, steht außer Frage. Die 27-Jährige zählt zu den besten Kopfballspielerinnen der Welt. Es ist aber ein nicht mehr unter den Tisch zu kehrendes Problem dieses Teams, dass es nahezu das einzige Mittel ist.

Was ist eigentlich die Idee im Ballvortrag?

Nach nur elf Minuten gab es eine gut anzusehende Kombination der Deutschen, als sie Dänemark im Spielaufbau locken konnten, sich dann auf dem rechten Flügel mit einem sehenswerten Steil-Klatsch-Spiel befreiten und schließlich Klara Bühl mit einer Verlagerung freispielten. Eine gute Chance, ein richtig guter Spielzug, der zeigt, dass sie es grundsätzlich können.

Das Problem: Wiederkehrend sind solche Elemente nicht. Es gibt keine Muster, keine erkennbare Idee. Stattdessen war es für Dänemark viel zu oft erschreckend einfach, Aufbauspielerinnen bei den DFB-Frauen unter Druck zu setzen, weil diese keine Anspielstation hatten.

Ohne Ball ist kaum Bewegung im Spiel. Selbst in der verbesserten zweiten Halbzeit gab es zu viele Situationen, in denen die ballführende Spielerin allein gelassen wurde. Auch Klara Bühl und Jule Brand sind davon betroffen. Weil der Spielaufbau zu eintönig ist, fehlen ihnen die Räume für Einzelaktionen.

Geste für Giulia Gwinn

DFB-Frauen schicken "Gruß Richtung Giuli"

Viertelfinal-Einzug mit Grußbotschaft: Das DFB-Team zeigt mit einer kleinen Geste, dass es an die verletzte Kapitänin Giulia Gwinn denkt.

Entweder eröffneten die Deutschen direkt über die Flügel, weil es in der Mitte keine Optionen gab – oder sie schlugen lange Bälle, die in den meisten Fällen beim Gegner landeten und keinerlei Konzept erkennen ließen. Das Problem für Bühl und Brand: Wenn der Ball früh im Aufbau nach außen gespielt wird, kann der Gegner ohne großen Aufwand schnell verschieben.

Würde Deutschland beispielsweise erst über das Zentrum eröffnen und in den vorderen beiden Dritteln später auf die Flügel verlagern, hätten die beiden Flügelspielerinnen mehr Raum, weil sich die Gegenspielerinnen erstmal auf die Mitte konzentrieren müssen. Aber dafür gibt es im deutschen Spiel keine Strukturen.

Flanken, Flanken, Flanken – und die kreative Zentrale leidet

Dass Wück lieber Flanken sehen will, gab er nach dem Spiel bei der "Sportschau" zu. "Die Anzahl stimmt", sagte er in Bezug auf dieses Mittel. Die Präzision müsse besser werden. Fakt ist aber auch, dass das Turnier rein fußballerisch an Linda Dallmann und Lea Schüller vorbeiläuft. Zwar waren beide schon an Toren beteiligt, aber ihre Anbindung ans Spiel ist nicht gut.

Dallmann hatte in 70 Minuten als Zehnerin 24 Ballkontakte, Schüller kommt auf 15 in derselben Zeit. Beide sind spielstark, beide haben die Qualität, in engen Räumen Lösungen anzubieten. Schüllers gutes Gespür für den Raum wird im aktuellen System kaum genutzt. Stattdessen muss sie stets darauf hoffen, dass mal eine Flanke ihren Kopf findet.

Noch geben Wück die Ergebnisse recht. Aber der Anspruch eines Teams mit dieser individuellen Qualität sollte abseits der eingefahrenen Punkte ein anderer sein. Diese Probleme waren vor dem Turnier bekannt. Schon lange. Wirklich daran gearbeitet wurde offenbar nicht.

DFB-Frauen können hoffen: Die K.o.-Phase fordert andere Qualitäten

Und dennoch gibt es Lichtblicke für die K.o.-Runde. Denn so frustrierend das Spiel der Deutschen manchmal ist, so beeindruckend ist die Qualität, sich in diese Art Partien reinzuarbeiten. Auch gegen Dänemark schaffte man es, das Spiel nach und nach an sich zu reißen, obwohl alle spürten, wie schwerfällig es lief.

Ebenso Mut macht die Form von Bühl. Die Flügelstürmerin des FC Bayern gewann acht ihrer neun Dribblings, lief immer wieder an, riss die Partie mit 93 Ballkontakten an sich und sorgte für einen Hauch Dynamik in einem sonst viel zu statischen Spiel. Sie war auch gegen Dänemark wieder der Schlüssel für den Sieg, auch wenn sie an den Toren nicht direkt beteiligt war.

Der wichtigste Hoffnungsschimmer für die kommenden Tage und Wochen ist aber, dass die DFB-Frauen ab der K.o.-Phase voraussichtlich nur noch gegen spielstarke Teams antreten, die selbst den Anspruch haben, offensiven Fußball zu spielen. Wenn die Deutschen die Verantwortung der Spielgestaltung auch mal abgeben kann, kommt ihnen das entgegen.

Dann müssen sie sich nicht ständig selbst darum kümmern, dass Brand, Bühl und Co. Räume finden, sondern können auch mal offensiv umschalten. Wie bei Wücks Debüt im Oktober 2024, als man England mit 4:3 schlagen konnte.

Insofern war die beste Nachricht am Dienstagabend zwar das Weiterkommen. Die zweitbeste könnte aber sein, dass es ab der K.o.-Phase womöglich ein anderes Turnier für Deutschland wird. Angesichts der bisher überschaubaren Leistungen wäre das auch zwingend notwendig.