Warum tragen Sportlerinnen eigentlich Fußballschuhe, die für Männer gemacht sind? Das fragte sich eine australische Unternehmerin, die sich der Sache annahm. Denn: Ein Großteil weiblicher Profis leidet unter schuhwerkbedingten Schmerzen.

Die Fußball-EM der Frauen begeisterte diesen Sommer mit Rekordkulissen in der Schweiz und hohen Einschaltquoten im TV. Doch während die Sichtbarkeit und Anerkennung steigt, findet ein grundlegendes Problem noch wenig Beachtung: Die meisten Profi-Fußballerinnen spielen in Schuhen, die für Männerfüße konzipiert wurden.

Eine neue Studie der britischen University of Exeter kommt zu erschreckenden Ergebnissen: 89 Prozent der befragten Sportlerinnen geben an, durch ihre Sportschuhe Schmerzen oder Beschwerden zu haben. An der Untersuchung nahmen 330 Sportlerinnen aller Leistungsstufen teil, darunter Amateursportlerinnen und Profi-Rugby-Spielerinnen in England, die ebenfalls Fußballschuhe tragen. Zusätzlich wurden fast 1.000 detaillierte 3D-Fußscans von Amateur- und Profispielerinnen ausgewertet.

Rebecca Knaak (L) tröstet Sophia Kleinherne (R), die sich bei der EM gegen Spanien verletzte.
Rebecca Knaak (L) tröstet Sophia Kleinherne (R), die sich bei der EM gegen Spanien verletzte. © Teamfoto/IMAGO/Markus Ulmer

Besonders auffällig: Obwohl 78 Prozent der befragten Sportlerinnen Komfort als oberste Priorität bei der Schuhwahl angeben, werden ihre Bedürfnisse vom Markt kaum erfüllt. Weitere wichtige Faktoren sind laut der Studie die Passform (68 Prozent), der Preis (62 Prozent) und die Traktion (60 Prozent).

Andere Fußballschuhe für Frauen? Sportmarken reagieren zögerlich

Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, haben die großen Sportartikelhersteller erst spät reagiert. Nike brachte 2023 mit dem Phantom Luna seinen ersten Fußballschuh auf den Markt, der speziell für Frauen entwickelt wurde. Auch Puma und Under Armour haben inzwischen Modelle speziell für Frauen im Angebot.

Kritiker sehen in diesen Entwicklungen jedoch nur Marketingstrategien. Demnach kommen frauenspezifische Schuhe laut einem Bericht des Portals "Beyond the Pitch" meist kurz vor großen Events wie der diesjährigen Frauen-EM auf den Markt. Das nährt den Verdacht, dass es mehr um positive Schlagzeilen und Verkäufe geht als um echte sportgesundheitliche Innovation.

Die größeren Marken waren ziemlich selbstgefällig", zitiert die University of Melbourne die Australierin Laura Youngson, Gründerin der Frauensportmarke IDA Sports. Youngson gründete 2018 eine eigene Firma, die sich auf die Herstellung von Frauensportschuhen spezialisiert.

Die Geschäftsidee kam Youngson 2017 am Berg Kilimandscharo, wo sie Teil einer Reisegruppe war, die mit dem höchstgelegenen Fußballspiel der Welt einen Guiness-Weltrekord aufstellte. Youngson war laut eigenen Angaben überrascht, dass selbst ehemalige Profi-Fußballerinnen in Schuhen spielten, die für Männer oder Kinder designt worden waren.

Schmerzen am großen Zeh durch falsche Stollenplatzierung

Doch was unterscheidet Frauenfüße überhaupt von Männerfüßen? Die anatomischen Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfüßen sind signifikant: Frauen haben typischerweise schmalere Fersen, eine breitere Zehenbox und höhere Fußgewölbe.

Ein kritischer Punkt: 45 Prozent der Schmerzen treten unter dem ersten Mittelfußknochen auf – genau dort, wo bei Standard-Fußballschuhen ein Stollen sitzt. Laut "The Guardian" feilen viele Spielerinnen sogar den Stollen unter dem Zeh ab, um den Druck auf den Knochen zu verringern.

"Wenn man einen 15 Millimeter langen Stollen hat und man sich stark anlehnt und die Richtung ändern muss, aber zehn Kilo leichter ist, braucht man dann so lange Stollen, um die gleiche Art von Traktion zu bekommen?" zitiert "The Guardian" Dr. Matt Whalan, einen Berater der Weltfußballorganisation Fifa, in einem Bericht aus dem Jahr 2020. Der Arzt sagte weiter: "Wenn man viel Traktion bekommt, die man nicht braucht, dann beginnt man, Dinge zu riskieren".

Anatomische Unterschiede erhöhen Verletzungsrisiko im Fußball der Frauen

Auch im Profisport ist das Problem längst bekannt. Europäische Spitzenteams des Frauenfußballs tun auch aus Eigeninteresse alles, um Verletzungen vorzubeugen und Leistungen zu optimieren. Laut einer Studie der European Club Association leiden 82 Prozent der Spielerinnen regelmäßig unter Beschwerden durch Schuhe, die für Männer konzipiert wurden.

Diese Unterschiede können zu ernsthaften Verletzungen führen, insbesondere zu Kreuzbandrissen. Diese kommen im Fußball der Frauen fünf- bis siebenmal häufiger vor als im Männerfußball. Sie ziehen meist eine doppelt so lange Erholungsphase nach sich. Während männliche Profifußballer zum Auskurieren eines Kreuzbandrisses um die sechs Monate brauchen, fallen Fußballerinnen bei derselben Verletzung meist rund ein Jahr lang aus.

Empfehlungen der Redaktion

Ein herber Verlust, den die DFB-Frauen allzu gut kennen. Im Frühjahr 2025 zogen sich gleich zwei Nationalspielerinnen im DFB-Training einen Kreuzbandriss zu: Torhüterin Sophia Winkler und Außenverteidigerin Marie Müller. Die deutsche Ausnahmespielerin Lena Oberdorf verletzte sich bei einem Testspiel kurz vor Olympia 2024 am Kreuzband. Sie fiel mit der schwerwiegenden Knieverletzung für die komplette Saison 2024/25 aus.

In der Forschung zur Prävention häufiger Verletzungen im Frauensport geht es zunehmend um zyklusbasiertes Training. Vielleicht rückt das Schuhwerk der Spielerinnen bald ebenfalls mehr in den Fokus der Wissenschaft.

Verwendete Quellen