Heiß begehrt, talentiert und doch auch schon erfahren: Jobe Bellingham steht auch bei Borussia Dortmund oben auf der Wunschliste. Was zeichnet den Teenager aus, wie könnte er dem BVB weiterhelfen - und würde ein Transfer überhaupt Sinn ergeben?

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Als am Samstag das "teuerste Spiel der Welt" anstand, werden die Vertreter von Borussia Dortmund durchaus gebannt nach London geguckt haben. Im Wembley-Stadion kam es dort zum Playoff-Finale zwischen Sheffield United und dem AFC Sunderland, es ging um den Aufstieg in die Premier League und - je nach Lesart und Interpretation - um 150 bis 200 Millionen Euro.

So groß soll der Unterschied sein, den eine Saison in der Championship, also der zweiten englischen Liga, und der Premier League rein finanziell ausmacht. Der Zutritt in den erlauchten Kreis der 20 besten englischen Teams ist von so überragender Bedeutung, dass daran so viel mehr hängt als "nur" eine kurze Stippvisite in der finanzstärksten Liga der Welt.

Noch mehr gilt für einen Klub wie Sunderland, der in den letzten Jahren erst eine beispiellose Talfahrt hingelegt hatte, samt zweier Abstiege bis hinunter in die Ligue One, die 3. englische Liga. Erst in der 95. Minute wurden die leidgeprüften Fans von einem Tor durch den 19-jährigen Tom Watson erlöst - die Rückkehr in die Premier League ist perfekt. Der "Lucky Punch" war es aber nicht, der das Spiel für den BVB interessant machte. Viel wichtiger: Im Team von Sunderland spielte auch Jobe Bellingham, der nicht nur zufällig einen großen Namen trägt.

Ein Box-to-Box-Spieler für den BVB?

Auch wenn sich Bellingham in den vergangenen Tagen bei Eintracht Frankfurt, immerhin auch ein Champions-League-Team der nächsten Saison, umgesehen haben soll: Das Dortmunder Interesse am jüngeren Bruder von Jude Bellingham ist weiterhin hinterlegt, vor ein paar Wochen soll eine Delegation der Borussia bereits nach Newcastle geflogen sein, um sich im nahegelegenen Sunderland mit Bellinghams Vertretern zu treffen. Der erst 19-Jährige ist als Box-to-Box-Spieler auserkoren, als kolportierte Ablösesumme stehen 25 Millionen Euro im Raum.

Wobei sich daran nach dem Aufstieg der Black Cats im Endspiel von Wembley auch noch etwas geändert haben könnte: Es macht einen Unterschied, einen hochbegabten Teenager von einem Zweitligisten oder einem Premier-League-Klub in die Bundesliga aus dem Vertrag kaufen zu wollen. Weil aber der BVB auf den letzten Metern der Saison doch noch die Qualifikation für die Champions League geschafft hat und Bellingham offenbar unbedingt in der Königsklasse spielen will, wäre zumindest eine andere Voraussetzung schon geschaffen.

Dortmunds Kader benötigt jedenfalls eine Auffrischung, das haben die letzten beiden Spielzeiten mit den Plätzen fünf und vier in der Bundesliga mehr als deutlich gezeigt. Unter anderem im Mittelfeld herrscht Handlungsbedarf und dort auf der Sechserposition - auf der sich Bellingham in Sunderland nicht nur einen Stammplatz erkämpft, sondern durchaus für Furore gesorgt hat.

Talentiert, erfahren und heiß begehrt

Bellingham erinnert in sehr vielen Dingen geradezu frappierend an seinen zwei Jahre älteren Bruder: Die ausladenden Bewegungen, das Abkappen und Aufziehen im Offensiv-Dribbling, die insgesamt sehr wuchtige Dynamik, der Körperbau, das Defensive-Tackling und überhaupt der gesamte Bewegungsablauf. Als würde eine etwas jüngere und noch deutlich unerfahrene Version von Jude Bellingham bei den Black Cats durchs Mittelfeld pflügen.

Jobe Bellingham ist sehr variabel einsetzbar, besticht als Abräumer mit seinen Defensivqualitäten, kann aber auch Angriffe initiieren und vor allen Dingen mitlaufen. Das Spiel des 19-Jährigen ist ungemein raumgreifend, sowohl als Ballträger als auch als Passspieler. Was (noch) fehlt, ist eine gute Portion Torgefahr. Eine Linie höher, auf der Achterposition, kann sich die im Laufe der nächsten Jahre aber noch entwickeln.

Tatsache ist, dass Jobe Bellingham als Teenager schon drei Jahre im professionellen Fußball spielt, nun seine zweite Saison als Stammspieler eines sehr ambitionierten englischen Zweitligisten absolviert hat und über 100 Pflichtspiele als Profi gesammelt hat. Das sind außergewöhnliche Zahlen, die den Spieler auch in der Premier League und bei ausländischen Klubs neben dem BVB interessant machen.

Neben den bereits genannten Eintracht Frankfurt soll auch RB Leipzig Avancen hegen, in England wird einem halben Dutzend Premier-League-Klubs ein gesteigertes Interesse nachgesagt. Die Konkurrenz für die Borussia ist also groß – es gibt aber eben auch ein gewachsenes Verhältnis zur Bellingham-Seite.

Es scheint perfekt zu passen

Der BVB sucht einen Spieler für die Sechser- oder Achterposition, der unter Umständen sogar noch etwas weiter vorne einsetzbar wäre und ein entwicklungsfähiges Talent hat. Das für die Zeit beim BVB genug Leistungspotenzial und eine gewisse Wertschöpfung verspricht. Und es wäre nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit der Borussia, diese Stelle mit einem guten Schuss Wohlfühlfaktor zu bekleiden.

Rückholaktionen hatten zuletzt Konjunktur in Dortmund. Nun wäre das streng genommen kein klassisches Wiedersehen, die Vorstellung eines Bellingham in Schwarz und Gelb ruft aber dennoch schnell einige Assoziationen hervor.

Der BVB kennt das Umfeld der Familie noch bestens und dürfte nach der sehr erfolgreichen Zeit des älteren Bruders beim BVB inklusive des am Ende doch vergleichsweise geräuscharmen Transfers zu Real Madrid noch einen sehr vernünftigen Kontakt pflegen.

Die Bellinghams wiederum konnten bei Jude erkennen, dass der "Zwischenschritt" in Dortmund absolut perfekt war, um in kurzer Zeit zu reifen und dann beim vermeintlich spektakulärsten Klub der Welt zu landen. Und das alles mit damals 20 Jahren. Eine vermeintliche Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

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Möglicher Transfer mit Risiken

Kann Jobe Bellingham genauso gut werden wie sein Bruder Jude? Gut möglich. Vielleicht aber auch nicht. Quervergleiche dieser Art sind ebenso unfair wie wenig zielführend. Aber sie wären - leider - wohl auch kaum zu vermeiden, gerade wenn der Spieler tatsächlich in Dortmund landen sollte. Von der überbordenden Erwartungshaltung ganz zu schweigen. Die Referenzgröße lauert stets im Hintergrund, das ist das Los des Jüngeren mit einem erfolgreichen Bruder.

Im größeren Kontext gilt es allerdings auch zu beachten, dass Jobe Bellingham zwar im Vergleich zu etwa Pascal Groß oder Marcel Sabitzer, beide auch schon Ü30, das bessere Gesamtpaket mitbringen würde. Aber eben auch, dass in Felix Nmecha im Prinzip exakt dieses Spielerprofil schon im Kader auftaucht.

Und dass das Zeichen an die Nachwuchsspieler bei der Borussia auch nicht eben das beste wäre. Nach dem Abstieg der U23 aus der 3. Liga will der BVB auch den LZ-Bereich neu justieren, den ohnehin schon sehr komplizierten Übergang in die Lizenzspielermannschaft etwas anders gestalten. Da sind 25-Millionen-Euro-Transfers 19-jähriger Talente aus dem Ausland nicht zwingend ein Signal des Aufbruchs für die eigenen Talente.