• Bei den Australian Open findet die zweite Wettkampfwoche erstmals seit 2010 ohne deutsche Beteiligung statt.
  • Dazu äußert sich Tommy Haas im Interview.
  • Außerdem kritisiert der ehemalige Tennisspieler Alexander Zverev und nennt seine Favoriten bei dem Grand-Slam-Turnier in Melbourne.
Ein Interview

Herr Haas, was ist das Besondere an den Australian Open unter den Grand-Slam-Turnieren?

Tommy Haas: Generell ist ein Grand-Slam-Turnier ein Grand-Slam-Turnier. Sie haben alle einen sehr hohen Stellenwert. Für mich als Spieler war es immer gleich eine Gelegenheit, um zu sehen, ob ich meine Aufgaben in der Vorbereitung gut gemacht habe. In Australien ist praktisch der ganze Januar vorbereitet auf Tennis. Die Fans sind immer klasse. Ich fand, dass es von den deutschen Fans immer gute Unterstützung gab, mehr als bei anderen Grand-Slams. Es ist einfach dieser "Happy Slam". Man hat immer gutes Wetter, hier und da kann es aber auch mal zu heiß werden. Wenn es richtig warm wird, hat man das Gefühl, als hätte man einen Föhn, der einem ins Gesicht bläst. Ansonsten sind die Hotels nah dran am Gelände und Melbourne an sich ist eine super Stadt.

Sie selbst waren in Australien mit drei Halbfinal-Teilnahmen am erfolgreichsten. Können Sie sagen, was dafür ausschlaggebend war?

Erst einmal war ich immer sehr motiviert, wieder an den Start gehen zu können. Meistens lagen die letzten Wettkämpfe zu dieser Zeit rund zwei Monate zurück. Früher gab es bei den Australian Open noch den "Rebound Ace Belag", auf dem man gespielt hat. Auf dem ist der Ball ein bisschen höher abgesprungen und man konnte auch ein sehr aggressives Tennis spielen. Das war ein sehr guter Allrounder, bei dem auch der Slice ein bisschen tiefer geblieben ist. Ich habe mich da immer wohlgefühlt. Die Australian Open waren auch immer ein Turnier, wo versucht wurde, viel für die Spieler zu machen und das hat mir sehr gut gefallen.

Die zweite Wettkampfwoche geht erstmals seit 2010 ohne deutsche Einzel-Beteiligung über die Bühne. Acht deutsche Spieler und Spielerinnen waren bereits an der Auftakthürde gescheitert, Alexander Zverev folgte in der zweiten Runde. Siegemund war die einzige positive Überraschung, schied aber auch in der dritten Runde aus. Muss man sich Sorgen machen um Tennis-Deutschland?

Ich glaube, es gibt immer wieder ein paar Ausrutscher und eine Phase, wo alle auch ein bisschen Pech haben. Jule Niemeier bei den Damen zum Beispiel spielt ein sehr gutes und aggressives Tennis. Sie wird sicherlich in der Zukunft oder auch schon in diesem Jahr einige große Siege feiern. Sie hat sehr viel Potenzial. Wenn man dann aber gleich in der ersten Runde gegen Iga Swiatek spielt, ist das natürlich sehr schwierig. Laura Siegemund hat am besten abgeschnitten. Bei ihr ist es meistens das gleiche Spiel: Sie versucht, zu kämpfen und zu schauen, wie weit sie kommt. Tatjana Maria hat unmenschlich gut gespielt letztes Jahr in Wimbledon, aber sie war nie die Spielerin, wo man sagt, die zweite Turnierwoche ist auf jeden Fall machbar. Das wäre ehrlich gesagt schon eine Überraschung. Bei den Herren ist grundsätzlich erst mal gut, dass sich einige qualifiziert haben.

Tommy Haas über Zverev: "Er braucht Wettkampfpraxis"

Alexander Zverev ist – nachdem er sich bereits in der 1. Runde schwergetan hatte – in Runde zwei ausgeschieden. Kam das Turnier für ihn nach seiner schweren Verletzung zu früh?

Er braucht Wettkampfpraxis. Es bringt nichts, nur zu trainieren. Du brauchst die körperliche Fitness für die Spiele und die kannst du dir nur aufbauen, wenn du spielst. In der ersten Runde jetzt hatte er ein unglaubliches gutes Los mit dem "Lucky Loser" Juan Pablo Varillas. Sehr positiv war, wie er sich in diesem Match noch rausgekämpft hat. Unter normalen Umständen hätte man sich in der zweiten Runde im Match gegen Michael Mmoh keine Sorgen machen müssen. Vielleicht hat sich Zverev aber auch zu viele Gedanken gemacht. Vor ein paar Monaten vor der Verletzung wäre das Match eine leichte Aufgabe gewesen.

Ist Zverev mit der richtigen Einstellung an das Turnier rangegangen?

Zverev hat in meinen Augen im Vorfeld ein bisschen zu viel zu negativ geredet, als er meinte, er erwartet nicht, dass er gut spielen wird. Ich glaube, wenn ich in seinem Team wäre, würden solche Worte gar nicht aus ihm rauskommen. Dafür ist er einfach zu gut. In den letzten Matches sah er aber einfach noch ein bisschen verloren auf dem Platz aus und ich glaube, er hat sich noch nicht richtig getraut, sein Spiel zu spielen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es schwer ist, nach Verletzungen wieder zurückzukommen. Er wird aber nach dem vierten, fünften oder sechsten Turnier wieder relativ schnell reinkommen. Ich bin gespannt, wie es die nächsten Wochen und Monate bei ihm aussieht und hoffe, dass er mal fit zum Indian Wells Masters anreist und da mal in die zweite Woche kommt.

Auch Sie hatten im Jahr 2003 mit einer Verletzung zu kämpfen und wurden zweimal an der Schulter operiert und sind über ein Jahr ausgefallen. Wie war das bei Ihnen nach so einer Verletzung? Ist es schwer, wieder den Rhythmus zu finden und das Vertrauen in seinen Körper?

Ja, auf jeden Fall. Es war für mich eine blöde Zeit. Ich habe 2001 und 2002 eigentlich mein bestens Tennis gespielt und musste dann im Dezember 2002 unters Messer. Gespielt habe ich dann erst wieder im Februar 2004. Mein fünftes Turnier nach meiner Rückkehr habe ich auf Sand gegen Andy Roddick dann wieder gewonnen. Der war damals die Nummer zwei oder drei der Welt. Man kommt dann schon wieder zurück und ist auch dankbar, dass man im Hintergrund so hart gearbeitet hat, dass man wieder spielen kann. Das war bei mir damals schon fraglich, ob ich überhaupt wieder spielen kann mit der Schulter. Ich habe aber immer versucht, positiv zu bleiben. Aber klar, die ersten Matches, die ich nach der Verletzung gespielt habe, waren alles, außer gutes Tennis.

Haas: Für Nadal wird es "jetzt immer schwerer"

Mit Verletzungsproblemen hat auch Rafael Nadal zu kämpfen. Angeschlagen schied er in der 2. Runde aus. Er soll sechs bis acht Wochen fehlen. Ist er langsam an einem Punkt, wo er an ein Karriereende denken sollte?

Es ist schon bemerkenswert, wie oft er zuletzt verletzt war. Ich weiß nicht genau, was in ihm vorgeht. Sicher ist das eine sehr harte Zeit für ihn und er denkt mittlerweile auch mal an die Zeit nach der aktiven Karriere und fragt sich, ob er noch jedes Turnier mitnehmen kann. Sein größtes Tennis, das er abrufen wird und will, ist natürlich weiterhin auf Sand. Da ist er ein Spieler, der fast unschlagbar ist. 14 Grand-Slam-Titel bei den French Open zu gewinnen, ist phänomenal. Ich glaube, da sieht er in diesem Jahr die größte Chance auf einen Sieg. Bei den Australian Open im Match gegen Mackenzie McDonald war interessant zu sehen, wie er noch versuchte, das Match zu Ende zu spielen und teilweise viel mehr Schläge riskierte als gewöhnlich. Ab und zu hat er dort auch mal die Vorhand flach durchgezogen und ich habe mich gefragt, warum so nicht auch mal spielt, wenn er fit ist. Für ihn ist es sicher kein gutes Zeichen, was er aktuell an die Konkurrenz gibt. Die wissen auch, Nadal ist angeschlagen und sie haben jetzt vielleicht zum ersten Mal auch die Chance, gegen ihn zu gewinnen. Es wird auf jeden Fall jetzt immer schwerer für ihn.

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Einige große Namen sind bei den Australian Open bereits ausgeschieden, Djokovic plagt sich mit Oberschenkelproblemen herum. Wer sind für Sie jetzt bei den Herren die Favoriten?

Djokovic hat neunmal dort gewonnen. Es ist schön zu sehen, dass er dort wieder spielt. Ich weiß nicht genau, wie sehr ihn die Verletzung hemmt, aber teilweise sieht es in seinen Matches wieder ganz gut aus. Es ist wichtig, dass er in drei Sätzen gewinnen konnte. Neben ihm und Stefanos Tsitsipas sehe ich eigentlich keinen anderen mehr, der das Turnier gewinnen kann.

Und bei den Damen?

Aryna Sabalenka spielt unglaublich gut und ein sehr druckvolles Tennis. Ihr Aufschlag hat sich auch sehr stark verbessert. Jelena Rybakina, die letztes Jahr Wimbledon gewonnen hat, finde ich auch sehr gefährlich. Ich würde am Ende aber auf Sabalenka tippen.

Zur Person: Tommy Haas ist ein ehemaliger deutscher Tennisspieler. Seine beste Platzierung in der Weltrangliste hatte er im Mai 2002 inne, als er auf Platz zwei stand. Bei den Australian Open erreichte er in seiner Karriere dreimal das Halbfinale. Seit 2017 ist Haas Turnierdirektor des Indian Wells Masters. Der 44-Jährige lebt mit seiner Familie in Los Angeles.

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