Gegen Donezk saß Robert Lewandowski erneut lange Zeit nur auf der Bank, Bayern-Trainer Pep Guardiola opfert seinen teuersten Sommerzugang immer wieder dem Diktat des Systems. Die Debatten um den 26-Jährigen nehmen Fahrt auf - sie dürften aber ins Leere laufen.

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Wenn Pep Guardiola eine verstaubte Fußball-Weisheit super super super doof findet, dann diese: "Ein Stürmer wird an seinen Toren gemessen." Das mag vor 30, 20 oder vielleicht auch noch vor zehn Jahren richtig gewesen sein und es soll sogar heute noch Profi-Trainer geben, die das Wohl und Wehe eines ihrer Angreifer hauptsächlich an dessen Torquote festmachen -, dennoch ist diese Sicht der Dinge längst überholt

Die gestiegenen Anforderungen des Spiels haben das Jobprofil des Stoßstürmers verändert. Ganz besonders beim FC Bayern München, ganz besonders unter einem Trainer wie Pep Guardiola. Der hat nicht umsonst einst betont, die Mittelfeldspieler seien die wichtigsten Spieler in seinem System.

Robert Lewandowski ist erwiesenermaßen kein Mittelfeldspieler. Der Pole ist Angreifer und in seiner Blütezeit bei Borussia Dortmund war er vielleicht der beste Angreifer der Welt. Mit seinem Wechsel nach München zu Beginn dieser Saison hat sich Lewandowski automatisch auch für einen anderen Stil seines eigenen Spiels entschieden. Richtig glücklich ist er damit bisher nicht geworden.

Lewandowski muss sich einordnen

Der 26-Jährige wird von Guardiola mal auf dem Flügel geparkt, mal als hängende Spitze eingesetzt. Lewandowskis Spiel hat an Tiefe verloren im Vergleich zu seiner Zeit beim BVB. Dort war er der perfekte Konterstürmer, der auch mit dem Rücken zum Tor jederzeit eine Gefahr für den Gegner darstellte.

Bei den Bayern muss sich Lewa in den ewigwährenden Fluss der Ballstafetten einordnen. Er spielt das Spiel von vorne weg, hat deutlich mehr Gegner zwischen sich und dem Tor, und einen längeren Weg bis zum Abschluss. Zu Beginn der entscheidenden Wochen und Monaten der Saison wirkt Lewandowski in München nicht wie ein fest eingeplanter Fixstern im System. Vielmehr sucht der Pole immer noch nach seinem Platz in Guardiolas Team.

"So wie das Team unter Pep Guardiola spielt, gibt es für Lewandowski einfach keinen Raum", fasst Didi Hamann am Dienstagabend bei "Sky" zusammen. Lewandowski hatte beim Achtelfinal-Hinspiel gegen Donezk mal wieder lange auf der Bank geschmort. Für Hamann eine unverständliche Maßnahme, die ihn zu einer feisten These verleitete: "In den letzten Wochen ist man mit Lewandowski ziemlich unfair umgegangen."

Erinnerungen an Ibrahimovic

Oder sind es einfach die Pep-typische Probleme, mit denen bereits andere Größen zu kämpfen hatten und am Ende kapitulierten? In Barcelona schickte der Spanier den hochdekorierten Samuel Eto'o früh weg, später überwarf er sich mit dem damals teuersten Einkauf Zlatan Ibrahimovic. Nach Peps Wechsel nach München verabschiedete sich Mario Gomez wenige Tage nach dem Dienstantritt des Trainers nach Florenz; im letzten Sommer ging Mario Mandzukic lieber zu Atletico, als sich noch eine schwierige Saison mit Guardiola anzutun.

"Lewandowski ist wie gemacht für Manchester United, Arsenal oder Liverpool. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, ihn zu kaufen, würde ich an deren Stelle das Vereinskonto räumen. Denn momentan findest du auf der Welt keinen besseren Stürmer als ihn", sagte Hamann. Was nichts anderes heißt als: Lewandowski ist für die Bayern ein Fehleinkauf und sollte sich schon mal auf die Suche nach einem anderen Verein machen.

Eine recht übereifrige Bestandsaufnahme, wie man bei näherer Betrachtung feststellt. Auch in Dortmund hatte Lewandowski enorme Anlaufschwierigkeiten und kam in seiner ersten Saison mit dem Vorschuss des polnischen Torschützenkönigs im Gepäck nicht an Lucas Barrios vorbei. Erst nach und nach arrangierte er sich mit Jürgen Klopps Idee vom Fußball und fand die nötige Sicherheit.

Die Quote ist völlig in Ordnung

In der aktuellen Torjägerliste der Bundesliga stehen unter den besten 13 Torschützen lediglich fünf gelernte Angreifer, einer davon ist Lewandowski selbst. Dazu trotzen Alex Meier, Franco di Santo, Bas Dost und Shinji Okazaki der Übermacht der offensiven Mittelfeldspieler. Lewandowskis acht Treffer (darunter kein Elfmeter) bisher sind kein überragender Wert - angesichts der Tatsache, dass er mit seiner Art des Spiels aber Raum und Zeit für seine Mitspieler schafft, dass er als Vorbereiter und Initiator vieler Angriffe glänzt und stets zwei oder drei Gegenspieler gleichzeitig bindet, aber völlig in Ordnung.

Vielleicht stimmt das Vorurteil, dass Guardiola nicht auf kantige Keilstürmer steht. Sofern sie ihm aber sportlichen Erfolg garantieren, wird auch der stolze Katalane nicht auf sie verzichten. Bald stehen die großen Spiele an. Und große Spiele - auch das ist eine altgediente Weisheit - werden von großen Spielern entschieden. Robert Lewandowski ist ein großer Spieler. Die Bayern dürfen sich noch auf einiges freuen.

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