Jonas Urbig verzichtete auf die U21-Europameisterschaft, um mit dem FC Bayern München zur Klub-WM zu reisen. Einsätze bekommt er allerdings nicht. Sollte sich an dieser Haltung auch in der kommenden Saison nichts ändern, geht der FC Bayern ein großes Risiko ein.

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Was geht wohl in diesen Tagen in Jonas Urbig vor sich? Er hätte mit der deutschen U21-Nationalmannschaft die Europameisterschaft spielen können. Der 21-Jährige hätte vermutlich im Tor gestanden, wenn Deutschland am Mittwoch im Halbfinale auf Frankreich trifft. Stattdessen reiste er mit dem FC Bayern München zur Fifa-Klub-Weltmeisterschaft in die USA – und sitzt dort auf der Bank.

Selbst für das dritte Vorrundenspiel am Dienstagabend (21:00 Uhr) gegen Benfica Lissabon bekommt Manuel Neuer den Vorzug, obwohl der FC Bayern bereits für das Achtelfinale qualifiziert ist. "Die Rolle von Manu ist, uns als Nummer 1 so weit wie möglich zu bringen", sagte Trainer Vincent Kompany in der Pressekonferenz.

Kompany setzt auf die Führung und Qualität von Neuer

Neuer soll "die Leistung mit seiner Führung und seinen Qualitäten bringen. Da gibt es null Diskussion. Wenn Manu fit ist, sind wir natürlich alle sehr froh." Dennoch bezeichnete Kompany Urbig noch einmal als "Talent" und fügte hinzu: "Es ist trotzdem eine sehr gute Erfahrung für ihn, bei der Klub-WM dabei zu sein. Hoffentlich bleibt Manu fit. Aber egal was passiert, wir haben mit Jonas auch eine sehr gute Zukunftsperspektive."

Neuer selbst sagte nach dem zweiten Gruppenspiel gegen Boca Juniors, dass es keine Absprache gäbe, Urbig bei der Klub-WM Einsätze zu ermöglichen. Aber: "Am Ende ist es natürlich immer so, dass das Trainerteam diese Dinge entscheidet. Das ist nicht nur auf der Torwartposition so. Das ist bei der ersten Elf immer der Fall."

Sofern Neuer fit ist, scheint Kompany stets auf ihn zu setzen. Dabei dürfte jedem klar sein: Ein junger Torwart muss gut aufgebaut werden, um perspektivisch die Nachfolge eines Welttorhüters antreten zu können. Neuer befindet sich in seinem letzten Vertragsjahr und wird im März 2026 bereits 40 Jahre alt.

Oliver Kahn rät Neuer zum Verzicht

Der frühere Bayern-Torwart Oliver Kahn hatte Neuer in der "Sport Bild" empfohlen, von sich aus gelegentlich auf Einsätze zu verzichten. "Die Verletzungsanfälligkeit ist größer. Manuel kann immer noch seine Qualitäten zeigen. Aber in diesem Alter, eine ganze Saison in drei Wettbewerben: Das ist eine große Herausforderung für den Körper. Irgendwann sind dir natürliche Grenzen gesetzt."

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Neuer müsse laut Kahn "niemandem mehr etwas beweisen! Es gilt für ihn, in den großen Spielen Top-Leistungen zu bringen." Laut dem Bericht der "Sport Bild" sollen die Vereinsbosse intern davon ausgehen, dass 2025/2026 die letzte Saison von Neuer beim FC Bayern sein wird. Umso wichtiger wäre es, Urbig an die Rolle als Neuer-Nachfolger heranzuführen.

Kurz nachdem Urbig in der Winterpause vom 1. FC Köln zum FC Bayern gewechselt war, zeigte Neuer seine Verzichtsbereitschaft: "Es ist schon so, dass es da eine gewisse Absprache gibt und dass wir versuchen, dass sich der Jonas dann auch weiterentwickeln kann. Das kann er aber nur, wenn er auch spielt. Und deswegen wird es in Absprache, in erster Linie mit unserem Trainer, aber auch mit dem Torwarteam, auch Spiele geben, wo der Jonas spielt."

Funkel über die Leistungen von Urbig: überraschend gut

Tatsächlich kam Urbig in der Rückrunde zu 12 Pflichtspiel-Einsätzen für den FC Bayern. Allerdings nur, weil Neuer verletzungsbedingt ausfiel. Urbig hinterließ als Ersatzmann einen guten Eindruck. "Es ist schon überraschend, wie schnell er es geschafft hat, in München wirklich gute Leistungen zu bringen", sagte der frühere Köln-Trainer Friedhelm Funkel im Mai im Gespräch mit unserer Redaktion.

Funkel lobte die angebliche Bereitschaft von Neuer, zukünftig zugunsten von Urbig auf Einsätze zu verzichten: "Manuel kann keine 50 Spiele mehr in der Saison machen. Er wirkt ein bisschen verletzungsanfälliger in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren. Es ist gut, wenn man seinem Nachfolger dann Spielpraxis gibt. Und der FC Bayern kann entscheiden, ob Urbig wirklich der Mann ist, der in die Fußstapfen von Neuer tritt."

Wann soll Urbig seine Einsätze bekommen?

Doch es stellt sich die Frage: Wenn Neuer nicht einmal in einem eher bedeutungslosen Vorrundenspiel gegen Benfica zugunsten von Urbig einen Schritt zurücktritt, wann dann? In der Bundesliga ist dies nur schwer vorstellbar, weil die Deutsche Meisterschaft beim FC Bayern als der wichtigste Titel gilt.

Im DFB-Pokal wird das Finale angestrebt, nachdem der Verein in den vergangenen fünf Spielzeiten stets früh gescheitert war und bereits das Erstrunden-Spiel gegen den Drittligisten Wehen Wiesbaden birgt eine gewisse Stolpergefahr. In der Champions League dürfte der FC Bayern ohnehin kein Risiko eingehen wollen.

Bayern hat mit Urbig "einen guten Fang gemacht"

Doch wäre Urbig überhaupt ein Risiko? In der Fußball-Welt wird ihm allgemein viel Respekt entgegengebracht. Der frühere Bayern-Torwart Yann Sommer, der mittlerweile für Inter Mailand spielt, sagte: "Die Partien, die ich von ihm gesehen habe, haben mich mit seinem Alter sehr beeindruckt. Er hat eine tolle Ausstrahlung, ist am Fuß sehr gut und hat viel Ruhe."

Auch der frühere Bundesliga-Torwart und Torwarttrainer Richard Golz lobte Urbig im Gespräch mit unserer Redaktion: "Er ist gut mit dem Fuß und ist vor allem auch bei hohen Bällen mutig. Das ist auffällig, weil nur wenige diese Qualität haben. Als Torwart muss man immer abwägen, ob man in bestimmten Situationen ein Risiko eingeht. Und er ist sehr mutig. Die Bayern haben mit ihm einen guten Fang gemacht."

Die Frage ist nur, ob es ihnen gelingt, diesen "guten Fang" auch gut aufzubauen – trotz Neuer.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenzen des FC Bayern München
  • Interview mit Friedhelm Funkel
  • Interview mit Richard Golz
  • Sport Bild (25/2025): Kahn über Neuer: Irgendwann sind dir natürliche Grenzen gesetzt