Der FC Bayern München möchte auf eigene Talente setzen, hat aber speziell in diesem Sommer mehrere junge Spieler mit großem Potenzial abgegeben. Wie passt das zusammen?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Talente statt teurer Transfers. Max Eberl unterstrich in der Sommerpause noch einmal, wie erfolgreich die Nachwuchsförderung des FC Bayern München ist. "Mit Josip Stanisic, Aleks Pavlovic und Jamal Musiala haben wir drei Stammspieler aus der eigenen Jugend. Das gibt es nicht so häufig", sagte der Sportvorstand und fügte hinzu: "Wir haben mit dem Campus zahlreiche Profi-Spieler entwickelt."

Tatsächlich ist die Nachwuchsförderung des FC Bayern Campus sehr erfolgreich. Mit dem 17-jährigen Lennart Karl und dem 18-jährigen Jonah Kusi-Asare haben zwei Talente in der Saisonvorbereitung für Furore gesorgt. In den Testspielen gegen Tottenham Hotspur (4:0) und den Grasshopper Club Zürich (2:1) gelang beiden jeweils ein Tor.

Lothar Matthäus fordert mehr Chancen für junge Spieler

Und doch stellt sich die Frage, wie gut solche jungen Talente bei den Profis eingebaut werden. Lothar Matthäus fordert in seiner "Sky Kolumne": "Lennart Karl, Paul Wanner, Jonah Kusi-Asare oder auch Wisdom Mike haben in den Testspielen gegen Grasshoppers Zürich, aber auch gegen einen englischen Champions-League-Teilnehmer wie Tottenham Hotspur eindeutig bewiesen, dass sie auf hohem Niveau mithalten können. Diesen Spielern sollte man nun eine Chance geben und ich finde nicht, dass der Kader - selbst ohne den gehandelten Christopher Nkunku - zu klein ist."

Völlig unverständlich sei für Matthäus, "dass Vincent Kompany gegen Stuttgart (im Supercup, Anm.d.Red.) in der 80. Minute Raphael Guerreiro für den angeschlagenen Serge Gnabry einwechselt. Guerreiro ist ohne Zweifel ein guter Spieler, aber ich bin sicher, dass die Bayern-Verantwortlichen hier gerne gesehen hätten, dass ein Youngster ins Spiel gekommen wäre. Junge Spieler brauchen Selbstvertrauen und mit solchen Entscheidungen nimmt Kompany ihnen das."

Paul Wanner wechselt nach Eindhoven – laut Eberl fehlte der Mut

Tatsächlich ist es auffällig, dass junge Spieler aus dem Bayern-Nachwuchs vermehrt bei anderen Vereinen ihr Glück versuchen. Eberl bestätigte am Donnerstag, dass Paul Wanner seinen Medizincheck bei dem niederländischen Erstligisten PSV Eindhoven absolviert. Die Ablöse soll laut einem Bericht von "Sky" bei mindestens 15 Millionen Euro liegen.

Und doch stellt sich die Frage, warum sie ein 19-jähriges Top-Talent ziehen lassen. Gerade aufgrund der Verletzung von Jamal Musiala könnten seine Qualitäten als offensiver Mittelfeldspieler nützlich sein.

Eberl sagte dazu: "Es kommt auf die Spieler an, die besser werden wollen und sich Herausforderungen stellen wollen. In der Offensive sind wir relativ dünn besetzt. Wenn man dann nicht daran glaubt, dann muss man Entscheidungen treffen. Wir wollen mit Spielern arbeiten, die Bock darauf haben, Spieler von Bayern München zu werden. Da gehört Mut zu."

Adam Aznou wollte den nächsten Schritt nicht beim FC Bayern gehen

Das Problem ist nur: Paul Wanner ist kein Einzelfall. Der 19-jährige Adam Aznou wurde Ende Juli für eine Ablöse von rund 9 Millionen Euro an den englischen Erstligisten FC Everton verkauft. Der Linksverteidiger spielte seit Sommer 2022 für den Nachwuchs des FC Bayern.

In der Rückrunde der Saison 2024/25 wurde er an den spanischen Erstligisten Real Valladolid verliehen und war dort Stammspieler. Zudem absolvierte er drei Länderspiele für die Nationalmannschaft von Marokko.

Warum der FC Bayern ihn dennoch verkauft hat? Eberl fand kurz nach dem Transfer auch hier deutliche Worte. "Wir haben mit ihm in der Youth League gespielt, er hat bei den Profis mittrainiert und er durfte dann ein halbes Jahr LaLiga spielen, um sich an Männer-Fußball zu gewöhnen", erklärte er. "Und jetzt, wo aus unserer Wahrnehmung der nächste Schritt gekommen wäre, hat er gesagt, er möchte es nicht mehr und etwas anderes machen."

Und doch stellt sich auch hier die Frage: Fehlte es dem Spieler an Mut und Ehrgeiz, um sich beim FC Bayern durchzusetzen? Oder ist es dem Verein nicht gelungen, dem Talent eine gute Perspektive aufzuzeigen?

Nestory Irankunda: Erst als Ausnahmetalent gefeiert, dann abgegeben

Ein weiteres Beispiel von diesem Sommer ist Nestory Irankunda. Der Flügelspieler wurde als Ausnahmetalent gefeiert, als er im Sommer 2024 zum FC Bayern München kam.

Mit seinen damals zarten 18 Jahren hatte er in der 1. Liga von Australien bereits für Aufsehen gesorgt. 16 Tore und acht Vorlagen waren ihm in 55 Ligaspielen für Adelaide United gelungen.

Ein Jahr später ist das Kapitel FC Bayern für ihn abgeschlossen. Für eine Ablöse von rund 3 Millionen Euro wechselte er zum englischen Zweitligisten FC Watford. Bei den Profis des FC Bayern kam er in den vergangenen zwölf Monaten nicht zum Einsatz.

Nachdem er in der Hinrunde lediglich für die 2. Mannschaft in der Regionalliga spielte, wurde er in der Rückrunde an den Grasshopper Club Zürich verliehen.

Bayern-Nachwuchsdirektor Jochen Sauer sagte über den Verkauf des mittlerweile 19-Jährigen: "Mit seiner Athletik und seiner Schnelligkeit ist er wie gemacht für den Fußball auf der Insel. Wir hatten sehr gute und vertrauensvolle Gespräche mit Watford und sind überzeugt, dass er dort beste Voraussetzungen vorfindet, sich nachhaltig im europäischen Clubfußball zu etablieren."

Immerhin: Laut einem Bericht vom "kicker" soll sich der FC Bayern eine Rückkaufoption gesichert haben. Dazu passt auch, dass Sauer bei der Verkündung des Verkaufs noch einmal hinzufügte: "Wir werden ihn dort weiter ganz genau im Blick haben."

Empfehlungen der Redaktion

Der Blick in die vergangenen Jahre zeigt: Viele Spieler, die beim FC Bayern ausgebildet wurden, hatten ihren Durchbruch erst bei anderen Clubs. Gute Beispiele sind Angelo Stiller (VfB Stuttgart), Joshua Zirkzee (Manchester United) oder Malik Tillman (Bayern Leverkusen). Gut möglich, dass Wanner, Aznou und Irankunda sich dieser Liste anschließen werden.

Verwendete Quellen: