Gegen RB Leipzig kassiert der FC Bayern drei Gegentore – und es könnten mehr sein. Die Taktik von Trainer Hansi Flick ist sehr riskant, weil die Abwehrmitte der Münchner seine größte Baustelle ist.

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Er fuchtelte wild mit dem linken Arm, schrie über den halben Platz. Das war in der leeren Arena gut hörbar. Doch selbst ein seit Wochen und Monaten hervorragend aufspielender Thomas Müller kann eben nicht überall sein.

Und so bat er Abwehrchef David Alaba bei wilden Topspiel am Samstagabend in der Allianz Arena bereits nach neun Minuten zum Rapport: Der Österreicher spielte nach einer gefühlten Ewigkeit wieder als Linksverteidiger - und hatte damit gegen RB Leipzig gehörige Probleme.

Leipzig kommt mit Tempo - Probleme für Alaba

Der Tempo-Express um Nordi Mukiele, Amadou Haidara und Justin Kluivert bereitete dem 28-Jährigen das ganze Spiel über Schwierigkeiten. Zum Glück für Alaba: Nach 90 Minuten war Schluss und die Bayern behielten gegen die Sachsen ein Punkt Zuhause (3:3).

Der deutsche Rekordmeister rettet nicht zum ersten Mal in den anstrengenden Wochen des Spätherbstes ein Ergebnis über die Zeit. Oder wie es Bayern-Trainer Hansi Flick auf der virtuellen Pressekonferenz nach der Partie formulierte: "Der neutrale Zuschauer hat ein sehr wildes Spitzenspiel gesehen, mit sehr vielen Torraumszenen. Wir haben die Tore zu leicht bekommen."

Müller analysierte dagegen halb fußballphilosophisch. "In dieser Phase, in der wir uns aktuell befinden: Der Punkt hält uns an der Tabellenspitze", meinte der Oberbayer im Interview mit dem ZDF.

"Summa Summarum machen wir aktuell auch in der Offensive, aber eben in der Defensive zu viele Fehler. Und da kommen wir noch nicht so richtig an die Wurzel ran."

Sané zieht frustriert ab

Dass die Mängel in der Abwehr erneut unbestraft blieben, hatte nicht zuletzt Ex-Nationalspieler Müller mit seinem Doppelpack (35. Minute/75.) zu verantworten, nachdem Christopher Nkunku explosive Sachsen in Führung gebracht hatte (19.), Bayerns erst 17-jähriger Youngster Jamal Musiala (30.) ausglich, Kluivert (36.) Müllers Führung egalisiert hatte und Emil Forsberg (48.) den Triple-Sieger mit seinem Kopfballtor und dem zwischenzeitlichen 3:2 richtig in die Bredouille gebracht hatte.

Bei diesem wilden Hin und Her ging fast unter, dass Leroy Sané nach schwacher Leistung und Auswechslung (64.) völlig frustriert den Innenraum des Stadions verließ. Er nahm sich nicht mal die Zeit, bei eisigen Temperaturen eine Jacke überzustreifen.

Boateng und Süle schwächeln

Und so standen statt Sané Alaba, Benjamin Pavard, Jerome Boateng und Niklas Süle in der Nachbereitung im Fokus. "Der war schon sehr, sehr frei", meinte Leipzigs Coach Julian Nagelsmann im ZDF zum 3:2 Forsbergs und resümierte mit Blick auf den RB-Champions-League-Showdown am Dienstag gegen Manchester United: "Wir mussten irgendwann Spieler runternehmen, da kam der Bruch im Spiel."

"Aber wir haben immerhin drei Tore geschossen." Nachdem die Sachsen zuvor viermal in Folge ohne eigenen Treffer in der Münchner Arena geblieben waren.

Doch insbesondere Süle und Boateng halfen eifrig mit. Weil sie mit der riskanten Taktik ihres Trainers nicht zurechtkommen?

Selbst gegen RB Leipzig blieb Flick seiner Linie treu, ließ seine Mannschaft auf letzter Linie sehr hochstehend verteidigen. Das ging diesmal gehörig daneben.

Süle ist weiter nicht der Alte

Süle ist nach seiner langwierigen Kreuzbandverletzung immer noch nicht der Alte. Dem 25-Jährigen fehlt trotz Top-Speed sichtlich die Handlungsschnelligkeit.

An Beispielen erklärt: Beim 0:1 hob der Hesse das Abseits auf; beim 2:2 rückte er riskant raus, statt mit Kluivert mitzugehen; und beim 2:3 schauten er und Boateng sich ungläubig an, weil in der Abwehrmitte augenscheinlich die Zuordnung nicht stimmte.

Doch nicht nur Süle schwächelt. Beim 0:1 fehlten Boateng im Sprint gegen Nkunku die entscheidenden Meter, und beim 2:2 fehlte Alaba gegen die Vorbereiter Mukiele und Haidara sichtlich die Orientierung.

"Naja, es sind auf jeden Fall zu viele Gegentreffer", sagte der schwer beschäftigte Torwart Manuel Neuer diplomatisch im ZDF. Der Weltmeister berichtete von "sechs Ausflügen" aus seinem Tor und erklärte vielsagend: "Von unseren Abwehrspielern kam keiner hinterher. Ich habe versucht, nach vorne zu verteidigen."

FC Bayern mit Glück gegen BVB, Werder Bremen und den VfB Stuttgart

Schon in der Champions League gegen den FC Salzburg (Mergim Berisha und Dominik Szoboszlai) und Atlético Madrid (Joao Felix und Marcos Llorente) hatten die Bayern Glück, dass die Gegner nicht mehr aus ihrer Anfälligkeit machten. Ebenso in der Bundesliga als Erling Haaland für den BVB (3:2 aus Münchner Sicht) beste Torchancen versiebte.

Oder gegen Werder Bremen (1:1) als Milot Rashica das mögliche 2:0 vergab und gegen den VfB Stuttgart (3:1), als ein vermeintlicher Treffer von Philipp Förster beim Stand von 1:1 annulliert wurde. Eine umstrittene Entscheidung.

Festzuhalten bleibt: Momentan passen Flicks Abwehr-Taktik und die Form seiner Defensivspieler nur bedingt zusammen. Und die Aufgaben werden nicht leichter: Vor Weihnachten wartet Bayer Leverkusen (19. Dezember), nach Silvester Borussia Mönchengladbach (8. Januar). Und die Gegner haben die Schwachstelle des FC Bayern längst entlarvt.

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