Am Donnerstag feiert Ex-Nationalspieler Max Kruse seinen Einstand als TV-Experte. Der frühere Werder-Profi wird bei RTL+ unter anderem den Europa-League-Auftakt des VfB Stuttgart analysieren. Wir haben den 37-Jährigen zu seinem neuen Fernsehjob und zum aktuellen Zustand des deutschen Fußballs befragt.

Ein Interview

Pünktlich vor dem Start in die neue Europapokal-Saison zeigt die Formkurve der deutschen Vertreter wieder nach oben: Freiburg (3:0 in Bremen) und Stuttgart (2:0 gegen St. Pauli) bestreiten ihren Auftakt in der Europa League jeweils mit einer gelungenen Generalprobe im Rücken.

Die Breisgauer legen am Mittwoch (21 Uhr bei NITRO) gegen den FC Basel los, die Schwaben treffen am Donnerstag auf Celta Vigo (21 Uhr bei RTL). Während Wolff Fuss und Lothar Matthäus das VfB-Spiel im Free-TV kommentieren, gibt Kruse in der RTL+ Spieltagsshow "Matchday" sein Debüt als Experte.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Max Kruse über die Chancen der Bundesliga-Klubs auf der internationalen Bühne, die fehlende Emotionalität der DFB-Stars und die Trainerentlassungen der noch jungen Saison.

Herr Kruse, Sie haben in Ihrer aktiven Karriere gut 20 Europapokal-Spiele absolviert. Jetzt kommen weitere als TV-Experte hinzu. Wollten Sie Ihre internationale Bilanz ausbauen?

Max Kruse: (lacht) Es hat natürlich nichts damit zu tun, dass ich meine Bilanz auffüllen will. Nein, es hat einfach gepasst. Mir gefällt die Abwechslung zwischen Europapokal und 2. Bundesliga. Für mich ist das ein guter Start, um mich in die Experten-Tätigkeit hineinzufinden. Den Fußball von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten, ist für mich eine neue Herausforderung. Niemand weiß, ob mir das so gut liegt wie das Kicken.

Wie werden Sie es angehen?

Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber noch keine großen Gedanken gemacht. Ich finde, dass Spontaneität mit sehr vielen Emotionen verbunden ist. Und die Emotionen sollte man sich auch nicht nehmen lassen. Was meine Europapokal-Einsätze als Experte angeht, werde ich mich aber schon vorbereiten müssen. Schließlich mischen in der Europa League und Conference League ein paar Vereine mit, die einem gänzlich unbekannt sind.

Max Kruse: Freiburg hat größere Chancen aufs Weiterkommen als Stuttgart

Ihr Ex-Klub Freiburg startet laut Trainer Julian Schuster mit einem "internationalen Derby" gegen Basel in die Europa League. Stuttgart empfängt Celta Vigo. Am 3. Bundesliga-Spieltag gewann der Sport-Club das direkte Duell gegen den VfB mit 3:1. Welchem deutschen EL-Vertreter trauen Sie mehr zu?

Dazu muss man aber sagen, dass das 3:1 Freiburgs erster Sieg war. Der Sport-Club ist ähnlich wie der VfB nicht wirklich gut in die Saison gestartet. Wenn diese Klubs in der Europa League so auftreten wie zum Bundesliga-Auftakt, wird es für beide schwer. Auf dem Papier hat Freiburg in der Ligaphase das leichtere Programm. Der VfB bekommt es neben Celta Vigo unter anderem mit AS Rom, Fenerbahce und Feyenoord zu tun. Das sind vier Kracher, die du erstmal gewinnen musst. Insofern sind die Chancen der Freiburger aufs Weiterkommen größer.

Die Conference League, in der diesmal Mainz 05 (Auftakt am 02.10. bei Omonia Nikosia) dabei ist, geht in ihre fünfte Saison. Können Sie diesen Wettbewerb, was die fußballerische Qualität angeht, überhaupt ernst nehmen?

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass die Conference League nicht wirklich mein Fall ist. Wenn ich mir Europapokal-Spiele anschaue, dann doch lieber mit Klubs, die international schon etwas geleistet haben. Mit Blick auf die Europa League, die wir seit vielen Jahren kennen, ist man da schon eine andere Qualität gewohnt. Die Conference League ist kein Zuckerschlecken. Aber ich habe ja nicht zu entscheiden, welche Wettbewerbe es gibt.

Die Bundesliga-Saison hat gerade erst begonnen, und schon sind zwei Trainer weg: Erik ten Hag musste Leverkusen verlassen, Gladbach trennte sich von Gerardo Seoane. Ist es sinnvoll, so früh den Coach auszutauschen?

Was da zwischen Bayer Leverkusen und Erik ten Hag falsch gelaufen ist, habe ich nicht so ganz verstanden. Das war offensichtlich ein Missverständnis. Aber wenn man einen Trainer zur neuen Saison holt und vorher die halbe Mannschaft ausgetauscht hat, kann man nicht erwarten, dass man in den ersten Spielen durchmarschiert. Vermutlich werden im Hintergrund andere Dinge vorgefallen sein, die zu dieser schnellen Trennung geführt haben. Dennoch musst du doch wissen, auf wen du dich da eingelassen hast.

"Manchmal haben die Vereine zu viel Panik."

Max Kruse über die schnellen Trainerentlassungen in der noch jungen Saison

Borussia Mönchengladbach ist wiederum ein anderes Thema. Ich habe da ja selbst mal gespielt und mag den Verein. Eigentlich ist die Mannschaft gar nicht so schlecht, aber das 0:4 gegen Werder Bremen war schon eine Hausnummer. Auch hier gilt für mich: Es ist immer schwierig, einen Trainer zu Beginn einer Saison zu entlassen. Manchmal haben die Vereine zu viel Panik.

Wie ordnen Sie den aktuellen Bayern-Kader ein? Ist er wirklich zu dünn besetzt, wie Kritiker behaupten?

An sich hat der FC Bayern jedes Jahr eine Mannschaft, die auch in der Champions League ganz vorne mitspielen kann. Der Start in der Liga und in der CL gegen Chelsea waren Statements. Ich rechne damit, dass die Bayern die Bundesliga wieder kaputt schießen werden. Klar, die Transfers ließen diesmal ein bisschen auf sich warten. Im Endeffekt konnte man mit Luis Díaz und Nicolas Jackson aber zwei Spieler hinzuholen, die eine richtig gute Qualität mitbringen. Der Kader mag vielleicht nicht groß sein, doch wenn alle fit sind, brauchen wir über die Qualität nicht zu sprechen. Sollte es aber ein, zwei Stammspieler erwischen, könnte es für die Bayern in der Champions League schwierig werden.

Uli Hoeneß hat gesagt, dass die Bayern "wie Hoffenheim in die Champions-League-Saison gehen". Trifft dieser Vergleich zu? Und spielt der deutsche Vereinsfußball international nicht mehr in der allerersten Liga?

Das ist mir zu weit aus der Luft gegriffen. So dramatisch würde ich das nicht beurteilen. Ich glaube aber auch, dass der deutsche Fußball international ein bisschen abgebaut hat. Das zeigen auch die jüngsten Auftritte der deutschen Nationalmannschaft. Es kommt nicht mehr so viel Qualität nach. Trotzdem haben deutsche Mannschaften immer die Möglichkeit, ganz vorne mit dabei zu sein.

Harry Kane spielt für den FC Bayern.

So schnitten die Bundesliga-Profis beim Ballon d'Or 2025 ab

Der Ballon d Or 2025 ist vergeben – und PSG-Star Ousmane Dembélé geht als Gewinner hervor. Wie haben die aktuellen Bundesliga-Profis und der mittlerweile zu Liverpool gewechselte Florian Wirtz abgeschnitten? (Bild: IMAGO/Ulmer/Teamfoto)

Wie erschrocken waren Sie über die Niederlage des DFB-Teams in der Slowakei (0:2) und des Sieges gegen Nordirland (3:1), bei dem auch nicht alles Gold war, was glänzte?

Da war gar nichts Gold, was glänzte. Auch gegen Nordirland war das über weite Strecken eine schlechte Leistung. Nordirland hat kaum Profis im Kader, die in der ersten Liga spielen. Schlimmer war nur der Auftritt gegen die Slowakei: Das war zum Teil unterirdisch. Die Slowaken wirkten viel eingespielter und befreiter, legten mehr Spielwitz an den Tag. All das fehlt mir bei der deutschen Nationalmannschaft momentan.

Woran liegt das?

Aus meiner Sicht ist die Qualität des Kaders nicht groß genug, um bei einer Welt- oder Europameisterschaft eine große Rolle spielen zu können. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Julian Nagelsmann die falschen Leute einlädt oder ob im deutschen Fußball im Moment generell zu wenig Nachschub von hinten kommt.

"Wenn Nagelsmann bei einigen Spielern die Emotionalität fehlt, dann sollte er sie nicht mehr einladen. So einfach ist das."

Max Kruse

Mit Florian Wirtz (für 125 Mio. Euro zum FC Liverpool) und Nick Woltemade (für 75 Mio. Euro zu Newcastle) waren zwei junge Spieler dabei, für die im abgelaufenen Transfer-Sommer hohe Ablösen geflossen sind. Sind unsere Nationalspieler überbewertet?

Die Ablösesummen haben nichts mehr mit dem Wert des jeweiligen Spielers zu tun. Wir sprechen hier einfach nur von dem Geld, das aktuell im Umlauf ist. Bei aller Liebe: Ich mag Nick Woltemade wirklich gerne, und er ist auch ein guter Fußballer – aber er ist meiner Meinung nach keine 75 Mio. Euro wert. Florian Wirtz ist zwar auf dem Weg, einer der besten Spieler der Welt zu werden, doch auch seine Ablösesumme ist utopisch. Diese Summen, die im Fußball mittlerweile normal geworden sind, verzerren das Bild. Vielleicht haben wir aktuell zwei, drei Spieler mit einer Bomben-Qualität, der Rest ist für mich leider Gottes Durchschnitt.

Der Bundestrainer hat zuletzt die "Emotionalität" auf dem Platz vermisst. Können Sie als Ex-Nationalspieler nachvollziehen, dass es daran gemangelt haben soll?

Ich hatte immer Bock. Für mich war es die größte Ehre, für Deutschland zu spielen. Das war bei mir in der Nationalmannschaft aber nicht anders als in der Bundesliga. Es war immer das Größte für mich, auf den Platz zu gehen und vor rund 50.000 Menschen zu spielen – und im besten Fall dabei mein Land vertreten zu dürfen. Wenn Nagelsmann bei einigen Spielern die Emotionalität fehlt, dann sollte er sie nicht mehr einladen. So einfach ist das.

Sie haben eingangs erwähnt, dass Sie sich die Emotionen nicht nehmen lassen werden. Wollen Sie Torsten Mattuschka, der für Sky als Zweitliga-Experte im Einsatz ist, jetzt Konkurrenz machen?

Ich will niemandem Konkurrenz machen, sondern meinen eigenen Stil einbringen und einfach Spaß haben. Aber klar, "Tusche" ist auch ein echter Typ – wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise, als ich es vielleicht bin. Grundsätzlich schaden Typen im Fußball ja nie.

Wer steigt auf?

Hannover 96 hat gute Chancen. Ich sehe aber auch Kaiserslautern und Schalke in einer guten Position. Als Überraschung habe ich eventuell Darmstadt auf dem Zettel.

Planen Sie weiterhin, in den aktiven Fußball zurückzukehren? Und ließe sich das mit Ihrer Experten-Tätigkeit vereinbaren? In Ihrem Podcast "Flatterball" haben Sie angedeutet, dass Sie sich in Zypern und Griechenland umhören …

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Wenn ich das machen sollte, würde sich das vereinbaren lassen. Das ist aber viel Zukunftsmusik. Um das kurz abzuschließen: Es ist gerade überhaupt kein Thema. Ich weiß nicht, ob ich es gemacht hätte, wenn ein gutes Angebot dabei gewesen wäre. Da aber keines dabei war, bin ich froh, dass es jetzt so ist, wie es ist.

Über den Gesprächspartner

  • Max Kruse ist ein deutscher Fußballspieler. Der im schleswig-holsteinischen Reinbek geborene Profi absolvierte 307 Bundesliga-Spiele (97 Tore) für Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, VfL Wolfsburg, Union Berlin, SC Freiburg und FC St. Pauli. Als Nationalspieler lief Kruse 14 Mal (4 Tore) mit dem Adler auf der Brust auf. Der passionierte Pokerspieler nahm 2024 an der Reality-Show "Promi Big Brother" teil. So wie bereits seine Frau Dilara im Jahr zuvor belegte auch Kruse den sechsten Platz.