Die U21-Europameisterschaft und der Gold Cup leiden unter der Klub-Weltmeisterschaft. Die Fifa setzt ihre eigenen Regeln außer Kraft, damit Stars für die teilnehmenden Klubs spielen können und nicht für ihre Nationalmannschaften auflaufen müssen. Auch die Frauen-EM ist von der Ansetzung des Mega-Turniers in den USA betroffen.

Eine Analyse
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Am Dienstagabend lief die 59. Spielminute im Spiel gegen Fluminense Rio de Janeiro, als Borussia Dortmunds Trainer Niko Kovac Jobe Bellingham einwechselte. Der 19-jährige Engländer gab beim ersten Gruppenspiel der Dortmunder bei der Klub-WM in den USA (14. Juni bis 13. Juli) sein Debüt für den BVB.

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BVB-Neuzugang Bellingham: Klub-WM statt U21-EM

Jobe Bellingham bei seinem ersten Einsatz für den BVB
Jobe Bellingham bei seinem ersten Einsatz für den BVB. © IMAGO/Guerin Charles/ABACA

Bellingham schoss einmal auf das Tor der Brasilianer, das Spiel endete 0:0. So weit, so unspektakulär. Dennoch sind die Umstände des Debüts des jüngeren Bruders von Real-Madrid-Star Jude außergewöhnlich. Denn eigentlich hätte der Mittelfeldspieler am Tag darauf für die englische U21-Nationalmannschaft bei der gleichzeitig stattfindenden U21-Europameisterschaft in der Slowakei (11. Juni bis 28. Juni) gegen Deutschland spielen sollen.

Doch Bellingham verließ Anfang Juni das Trainingslager der "Young Lions", um seinen Wechsel vom Premier-League-Aufsteiger AFC Sunderland zu Borussia Dortmund zu finalisieren. Anschließend flog er mit dem BVB in die USA. "Ich freue mich sehr, dass ich bereits beim Fifa Club World Cup das schwarzgelbe Trikot tragen werde", sagte Bellingham bei seiner Präsentation.

Zahlreiche Stars der U21-EM spielen bei der Klub-WM

Bellingham ist längst nicht der einzige Star, der wegen der Klub-WM bei der U21-EM fehlt. Der deutsche Trainer Antonio di Salvo muss auf Karim Adeyemi und Maximilian Beier von Borussia Dortmund verzichten, Jonas Urbig und Tom Bischof sind für den FC Bayern München im Einsatz.

Bei Spanien fehlen die Real-Stars Dean Huijsen und Raúl Asencio, bei England neben Bellingham noch Liam Delap, der Anfang Juni für rund 36 Millionen Euro von Ipswich Town zu Klub-WM-Teilnehmer Chelsea wechselte.

Bei Frankreich sagte Hugo Ekitiké seine Teilnahme offiziell wegen Rückenschmerzen ab, womöglich spekulierte der umworbene Mittelstürmer von Eintracht Frankfurt aber auch darauf, noch unmittelbar vor Beginn des Turniers zu einem Klub-WM-Teilnehmer zu wechseln.

Die Fifa und Gianni Infantino ordnen alles der Klub-WM unter

Ein solcher Transfer wäre möglich gewesen, da die Fifa extra für die Klub-WM ein drittes Transferfenster einführte, das vom 1. bis 10. Juni geöffnet war. Unter anderem Bellingham, Delap, Huijsen und Bischof nutzten diese Sonderregelung und spielen deshalb bei der Klub-WM statt bei der U21-EM.

Durch das Fehlen solcher Stars wurde das wichtigste Nachwuchsturnier des europäischen Fußballverbandes Uefa deutlich abgewertet. Und der Fifa und ihrem umtriebigen Präsidenten Gianni Infantino scheint das herzlich egal zu sein.

Der Weltverband organisierte die Klub-WM in diesem Sommer erstmals in Form eines Mega-Turniers mit 32 Mannschaften. Die Fifa mischt so auch im finanziell äußerst lukrativen Vereinsfußball mit und ordnet dem alles unter.

Sogar die Abstellungspflicht der Vereine für Nationalspieler, auf die die Fifa jahrzehntelang vehement pochte, wurde für die U21-EM und den Gold Cup kurzerhand außer Kraft gesetzt. Die Spieler können somit frei entscheiden, ob sie in diesem Sommer für ihren Verein oder ihre Nationalmannschaft auflaufen möchten.

Team USA muss beim Gold Cup auf einige Stars verzichten

Der Gold Cup (14. Juni bis 6. Juli) ist das zweite große Turnier in diesem Sommer, das unter der Klub-WM leidet. Die Kontinentalmeisterschaft des nord-, zentralamerikanischen und karibischen Verbandes CONCACAF findet aktuell in den USA und Kanada statt und steht im Schatten des neuen Fifa-Prestigeprojektes.

Der Gold Cup erhält nicht nur deutlich weniger mediales Interesse, sondern muss ebenfalls ohne einige der Stars auskommen. Alejandro Zendejas etwa spielte eine starke Saison für den mexikanischen Verein Club América, wurde aber trotzdem nicht für das Team der USA nominiert. Was umso bitterer ist, da der Club América in den Play-Ins gegen Los Angeles FC die Qualifikation für die Klub-WM verpasste.

"Wir hatten ihn auf dem Zettel. Aber das Risiko, dass er zur Klub-WM muss, war uns zu hoch", erklärte US-Nationalcoach Mauricio Pochettino kürzlich in einem Pressegespräch. Neben dem Spielmacher muss Pochettino auch auf Weston McKennie und Timothy Weah verzichten, die bei der Klub-WM für Juventus Turin im Einsatz sind. Mit Giovanni Reyna steht ein weiterer US-Nationalspieler im Kader des BVB.

Auch die Frauen-EM leidet unter der Klub-WM

Neben der U21-EM und dem Gold Cup gibt es in diesem Sommer noch ein drittes Turnier, das durch die Klub-WM beeinträchtigt wird. Zwar werden bei der Frauen-Europameisterschaft in der Schweiz (2. Juli bis 27. Juli) keine Spielerinnen fehlen, aber es kommt zu Terminüberschneidungen.

Eigentlich hätte den Fußballerinnen die Aufmerksamkeit im Juli alleine gehört, nun stehen die K.o.-Spiele der Klub-WM in Konkurrenz zur Gruppenphase der Frauen-EM. Auch dies scheint die Fifa und ihren Boss Infantino, der sich gerne als großer Unterstützer des Frauenfußballs inszeniert, bei ihren Planungen nicht beeinflusst zu haben.

In diesem Sommer werden also gleich drei große Turniere durch die Klub-WM abgewertet, die Interessen der kontinentalen und nationalen Verbände von der Fifa hinter denen eigenen angestellt.

Im kommenden Jahr, wenn die Fifa in den USA, Mexiko und Kanada erstmals eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften ausrichtet, wird der Fokus dann wieder auf den Nationalmannschaften liegen. Nach einer langen Saison werden die Vereine ihre Stars wie gewohnt abstellen müssen, damit die nächste Mega-Veranstaltung des Weltverbandes zu einem Erfolg wird.

Verwendete Quellen