Nach seinem Viertelfinal-Aus bei den French Open machte Alexander Zverev das Wetter mitverantwortlich. Es ist nicht das erste Mal, dass er seltsame Ausreden präsentiert. Dabei sollte er weniger nach Ausflüchten, sondern nach Lösungen suchen.
Alexander Zverev lieferte mal wieder verlässlich. Leider nicht auf dem Centre Court, sondern verbal. Es ist ein inzwischen altbekanntes Muster, das der Deutsche nach Niederlagen zeigt: eine schier unerschöpfliche Breite an Ausreden, um eine Pleite zu erklären. Diesmal waren es die Temperaturen, die erklären sollten, warum es gegen Novak Djokovic im Viertelfinale der French Open nicht gereicht hat.
Man muss dazu sagen:
"Dann findest du keinen Weg."
Wenn man gegen
Diesmal musste also das Wetter herhalten, nachdem es in der Vergangenheit andere Ursachen waren. Beim Masters in Rom im Mai etwa motzte er über die Bälle, die "ein Witz" waren. "Sie sagen, wir spielen in Monaco, Madrid und München mit den gleichen Bällen. Dann kommen wir hierher und die Bälle sind ganz anders." Dabei griff er auch seinen Gegner Lorenzo Musetti an. "Er ist sehr abhängig von seiner Defensive. Er ist sehr abhängig davon, dass seine Gegner Fehler machen."
Lesen Sie auch
Immer wieder Ausreden
Nach Niederlagen bei den Turnieren in Buenos Aires, Rio de Janeiro, Madrid und Monte Carlo verwies Zverev wiederum auf seinen Schläger. "Ich habe den neuen Schläger in Südamerika ausprobiert. Ich habe ihn in Monte Carlo zehn Tage lang im Training getestet und er ist unglaublich. Er ist wirklich großartig, aber er ist zu schnell für den Sandplatz", sagte Zverev laut der "Bild". Und in Hamburg Ende Mai wiederum erklärte er nach dem Achtelfinal-Aus: "Dafür, dass ich 37-mal gekotzt habe und die ganze Nacht 39,4 Grad Fieber hatte, fand ich das eigentlich ganz okay."
Natürlich ist eine angeschlagene Gesundheit ein triftiger Grund für eine Niederlage. Es wird auch immer noch oft vergessen, dass Zverev seit seiner Kindheit an Diabetes Typ 1 leidet. Er hatte einmal erklärt, dass die Krankheit ihn während der Spiele "manchmal, aber nicht oft" beeinflusse. Und auch die Bälle kritisierte nicht nur Zverev, sondern auch andere Spieler.
Das Problem bleibt aber: Wenn eher skurril und deplatziert wirkende Gründe immer häufiger als Erklärung für Niederlagen angeführt werden, wirken sie mehr und mehr wie faule Ausreden und Zverev wie ein schlechter Verlierer. Ihm fällt es vor allem dann auf die Füße, wenn der Gegner mit den gleichen Problemen zu kämpfen hat wie er selbst. Eine immer wieder auftretende Gereiztheit bei Interviews verstärken diesen Eindruck. So auch bei der Pressekonferenz nach seinem Aus in Paris: "Ich habe sowas von keinen Bock auf Tennis! Ich gehe Golf spielen", sagte er.
Selbstkritik ist nötig
Schlimmer noch: Möglicherweise führt die regelmäßige Suche nach Ausreden sogar dazu, dass Zverev die Probleme gar nicht so sehr bei sich und im eigenen Spiel sucht. Dabei zeigt gerade die Niederlage von Paris, dass er sich jetzt hinterfragen und in bestimmten Bereichen etwas verändern muss. Denn es liegt ganz sicher nicht nur an einer Verkettung unglücklicher äußerer Umstände, dass er weiterhin auf den ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere wartet. Spitzensport ist auf dem ganz hohen Niveau nämlich auch Kopfsache.
"Er muss sich Gedanken machen, warum es während der gesamten Sandplatzsaison, und nicht nur in Paris, nicht so gut gelaufen ist wie vergangene Saison. Dafür gibt es Gründe, da ist Manöverkritik nötig, da muss sich die Familie zusammentun und offen ansprechen: 'Warum läuft es momentan nicht mehr so gut?'", sagte
Denn Zverev läuft langsam die Zeit davon. Er ist erst 28 Jahre alt, doch die nächste Generation um den Weltranglisten-Ersten
Das muss Zverev ändern
Doch nicht erst die Niederlage gegen Djokovic zeigte, dass Zverevs Spiel deutlich flexibler werden muss. Er muss raus aus seiner Komfortzone, die zwei bis drei Meter hinter der Grundlinie liegt, und deutlich offensiver agieren. Djokovic hat Zverev mit 44 Stopps immer wieder gelockt und am Ende völlig entnervt.
Oft agierte er zu passiv, fand gegen Djokovics cleveren Matchplan kein Mittel und produzierte stattdessen viele eigene Fehler. "Gegen Superstars wie Djokovic oder auch Sinner und Alcaraz musst du die Punkte machen. Du musst derjenige sein, der aggressiver agiert und an den Sieg glaubt", sagte Becker. Möglich, dass auch Veränderungen im Trainerteam neue Impulse bringen können.
Immerhin: Zverev muss theoretisch gar nicht lange hadern, in der nun startenden Rasen-Saison geht es bei den am Montag beginnenden Boss Open in Stuttgart weiter. Eine Woche später steht das Turnier in Halle/Westfalen auf dem Programm. Mit beiden Turnieren könnte sich Zverev auf Wimbledon vorbereiten, das am 30. Juni startet. Dort kam er bislang allerdings noch nie über das Achtelfinale hinaus.
Lösungen suchen, keine Ausreden
Ob es dann nochmal klappt? Laut Becker ist der Grand-Slam-Traum zwar "nicht ausgeträumt, aber mit jeder vertanen Chance wird es schwieriger". Das Problem sei, dass die Jüngeren besser würden. "Die Konkurrenz ist nicht die Generation von Djokovic, sondern jene um Alcaraz und Sinner. Die sind fünf, sechs Jahre jünger - und dann drängen bereits die jungen Wilden um Joao Fonseca und Arthur Fils nach vorne. Je früher es für Zverev mit dem Grand-Slam-Titel klappt, umso besser wäre es", betonte Becker. Dafür muss Zverev aber dringend nach Lösungen suchen - und nicht nach Ausreden.