Der rasante Aufstieg von RB Leipzig macht den Weg für den Bruder-Klub in Salzburg noch beschwerlicher. Der ganz große Boom in der Mozartstadt ist längst vorbei, mittlerweile ist die Frage wohl berechtigt: Wie lange hält die Gunst des Mutterkonzerns noch für Red Bull Salzburg?

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Bisher war das ja nie ein Thema bei Red Bull Salzburg: Das liebe Geld. Zu großzügig wurde der Klub vom Imperium alimentiert. Das war zwar auch im abgelaufenen Geschäftsjahr so, aber eben doch ein wenig anders als in den Jahren davor.

Die Strukturreform bei Red Bull Salzburg, durch die die Sonderrechte des Brauseherstellers im Klub auf Grund des Financial Fairplay deutlich zurückgeschraubt wurden, zeigten ihre Wirken. Ebenso wie das Verpassen der Europa League im Sommer 2015.

Beide Faktoren waren ursprünglich eingeplant. Auch deshalb musste Red Bull Salzburg am Montag rund 1,7 Millionen Verlust ausweisen. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Klubs, dass Red Bull Salzburg rote Zahlen schreibt.

Das Konstrukt wackelt

Dabei ist diese kleine finanzielle Delle nicht das größte Problem der Salzburger. Auf Sicht ist das auch nicht die ungewohnte Platzierung in der Tabelle. Zur Winterpause steht Serienmeister Salzburg nur auf Rang zwei hinter Sensations-Winterkönig SCR Altach. Und schon gar nicht die viermonatige Sperre für Zukauf Wanderson, die die FIFA am Montag gegen den belgisch-brasilianischen Doppelstaatsbürger verhängte.

Stattdessen begreift sich das komplette Projekt RB Salzburg derzeit auf sehr wackeligen Beinen, manch einer würde wohl behaupten: Kurz vor dem Aus. Noch nie traf die Fluktuation eine Salzburger Mannschaft so massiv wie im letzten Sommer, als vier Stammspieler den Klub verließen. Drei davon in Richtung Bruder-Klub RB Leipzig.

Der ist schon lange nicht mehr der Junior Partner im Konstrukt, sondern derjenige, der den Takt und die Marschrichtung vorgibt. RB Leipzigs rasanter Aufstieg vom Fünftligisten vor gerade einmal sieben Jahren bis zum womöglich ernsthaften Titelanwärter in der Bundesliga steht der scheibchenweise Niedergang der Salzburger entgegen.

Irritationen im Sommer

Ein Zufall ist das wohl alles nicht und es stellt sich die Frage, wie lange das erste Baby von Dietrich Mateschitz noch attraktiv und autark genug bleibt. Als im Sommer mal wieder die Qualifikation zur Champions League in den Sand gesetzt wurde, war ein Wendepunkt erreicht. Leipzigs Marsch in die Bundesliga wirkte wie ein Teilchenbeschleuniger.

Quasi über Nacht verabschiedete sich nach Naby Keita und Benno Schmitz auch Defensiv-Allrounder Bernardo, was gelinde gesagt für einige Irritationen sorgte.

Der Transfer sei über seinen Kopf hinweg entschieden worden, maulte Trainer Oscar Garcia öffentlich. "Wir haben jetzt zwei Ausbildungsmannschaften: Liefering A und Liefering B. Es ist nicht einfach, damit umzugehen." Red Bull Salzburg rückt, wie von Übervater Mateschitz einst angedeutet, immer weiter ins hintere Glied.

"Wir wollen mit dem stärksten Team mit Leipzig in der deutschen Bundesliga spielen und in Österreich mit einem quasi U-21-Team mit einem möglichst hohen Anteil an Spielern aus unseren Akademien", erklärte Mateschitz die Strategie bereits im Jahr 2010.

Unverständnis bei Fans und Spielern

Die Fans liefen damals Sturm, wetterten mit einem offenen Brief gegen den vermeintlich von oben angeordneten, schleichenden Exitus ihres Klubs.

"…Kein Verständnis hingegen haben wir für die Politik eines ‚Selbstbedienungsladens Salzburg‘, so wie wir es in der (jüngeren) Vergangenheit erleben mussten. Es kann nicht angehen, dass den Salzburgern wichtige Spieler abhandenkommen, weil Leipzig und ein Herr Rangnick einfach ‚Bedarf‘ haben", hieß es da unter anderem.

Auch Ex-Spieler Martin Hinteregger, der sich beharrlich weigerte, nach Leipzig transferiert zu werden und am Ende beim FC Augsburg Unterschlupf fand, prangerte schon damals die in Schieflage geratene Gemengelage im Red-Bull-Kosmos in sehr scharfen Tönen an.

"Ich finde das schade, denn im Endeffekt sind es zwei verschiedene Vereine, aber es wird alles aus Leipzig regiert, alles nur zu Leipziger Gunsten. Salzburg wird komplett links liegen gelassen", sagte Hinteregger in einem Interview mit der "Welt".

Im Rückblick lesen sich die Worte der Fans und die von Hinteregger im Ansatz wie eine Prophezeiung. Denn derzeit deutet wenig darauf hin, dass Red Bull Salzburg jemals wieder den Stellenwert haben wird, den es vor einigen Jahren noch hatte.

Deutlicher Zuschauerschwund

"Wir sind sicher kein Ausbildungsverein für RB Leipzig. Wir wollen national und international auf höchstem Niveau Fußball spielen und Titel gewinnen. Wir müssen uns allerdings auch damit abfinden, dass wir in einer verhältnismäßig kleinen europäischen Liga spielen", sagte Salzburgs Manager Jochen Sauer zwar schon im Sommer und versuchte dabei zu beschwichtigen.

Aber einige Dinge lassen sich auch mit ein paar wohlfeilen Worten nicht aus der Welt räumen. Der Zuschauerschwund in Salzburg ist frappierend, rund ein Fünftel weniger Fans fanden in der Vorrunde den Weg in die 30.000-Mann-Arena, der Schnitt von knapp 7000 Fans pro Heimspiel ist der niedrigste seit der Übernahme von Red Bull vor elf Jahren.

Dietrich Mateschitz hatte einst die Vision, die Stadt Salzburg zu einer Sportstadt zu machen, mit Spitzen-Eishockey und Spitzen-Fußball. Am Mittwoch wird Mateschitz in der Münchener Allianz Arena weilen und sich den Kracher von RB Leipzig gegen die Bayern anschauen. Letzten Samstag war er bereits in Leipzig zugegen. Die Besuche im Salzburger Stadion dürften wohl in Zukunft noch weniger werden.

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