Marcell Jansen spielte in seiner aktiven Zeit für den FC Bayern und den Hamburger SV. Im Interview spricht er mit unserer Redaktion über das bevorstehende Spiel der beiden Traditionsvereine und einen möglichen Erfolgsschlüssel für den HSV.

Marcell Jansen wird ganz genau hinschauen, wenn am Samstag (18:30 Uhr) der FC Bayern München den Hamburger SV empfängt. Der frühere Linksverteidiger spielte in der Saison 2007/2008 selbst für die Bayern, ehe er zum HSV wechselte und dort bis 2015 als Profi aktiv war. Von Januar 2019 bis Juni 2025 war der mittlerweile 39-Jährige Präsident des HSV.

Die Hanseaten werden nun erstmals seit dem Abstieg im Jahr 2018 wieder ein Bundesliga-Auswärtsspiel in der Allianz-Arena bestreiten. "Ich freue mich auf das Spiel", sagt Jansen im Interview mit unserer Redaktion und analysiert die Außenseiter-Chancen des HSV.

Herr Jansen, Sie haben in Ihrer aktiven Zeit mit dem Hamburger SV einige Auswärtsspiele bestritten, die teilweise schmerzhaft verliefen. Es gab zum Beispiel Niederlagen in Höhe von 0:5, 0:6 oder sogar 0:8. Waren Auswärtsspiele in München immer die schmerzlichsten Spiele?

Auswärts waren das tatsächlich sehr oft sehr klare Niederlagen. Da bekamen wir teilweise ordentlich einen auf den Deckel. Zu Hause sah die Sache ein bisschen anders aus. Aber generell wurde die Lücke zwischen Bayern München und dem Hamburger SV immer größer. Als ich von München nach Hamburg kam (im Jahre 2008, Anm.d.Red.), spielten wir selber noch um das internationale Geschäft. Das war später nicht mehr der Fall. Dass hohe Niederlagen in München passieren können, ist bekannt und blieb zuletzt auch RB Leipzig nicht verborgen.

Wie blicken Sie dem Spiel am Samstagabend zwischen Bayern München und dem Hamburger SV entgegen?

Für den HSV ist das ein geiles Bonusspiel. Die Mannschaft fährt als Aufsteiger dorthin und hat nichts zu verlieren. Man kann über Kampfgeist und Herz versuchen, dort ein bestmögliches Spiel zu machen. Damit würde man auch eine gute Grundlage für das nächste wichtige Heimspiel gegen Heidenheim schaffen.

Gegen Bayern braucht es ein Quäntchen Glück

Sie haben eben erwähnt, dass Heimspiele mit dem HSV gegen den FC Bayern teilweise besser verliefen. In der Saison 2008/2009 gewannen Sie mit dem HSV 1:0 gegen den FC Bayern. Aus dieser Erfahrung heraus: Was kann ein Erfolgsschlüssel gegen Bayern sein?

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Mannschaften, die als Außenseiter in der Allianz-Arena Lösungen gefunden haben. Dem VfL Bochum ist das in der vergangenen Saison gelungen. Natürlich braucht es ein Quäntchen Glück. Der FC Bayern hat unter Vincent Kompany einen sehr, sehr klaren Spielstil. Der ehemalige HSVer macht dort einen überragenden Job.

Der FC Bayern verteidigt generell sehr hoch. Kann die Taktik darin liegen, hoch zu verteidigen und zu kontern?

Die defensive Kompaktheit und Organisation werden sehr wichtig sein. Du brauchst aber auch gelegentliche Nadelstiche im Spiel nach vorne, um dem FC Bayern zu zeigen, dass du auch Tore schießen kannst. Ich denke, aus Sicht des HSV liegt im Spiel nach vorne die größte Herausforderung. Das hat der Saisonstart gezeigt. Nun gab es noch einige Neuzugänge kurz vor Transferschluss. Daher muss sich einiges einspielen. Eine andere taktische Variante könnte darin liegen, auswärts hoch zu pressen, mutig und aggressiv zu sein. Dadurch könnte man einige Gegner vor Probleme stellen. Es wird ganz entscheidend sein, welchen Weg der HSV gehen wird. Ein Mittelweg wird schwierig.

In der Meisterschaft führt kein Weg an Bayern vorbei

Wie schätzen Sie den FC Bayern in dieser Saison ein? Ist der deutsche Rekordmeister im Kampf um die deutsche Meisterschaft konkurrenzlos?

Ich glaube schon. Durch Vincent Kompany kam dort das Bayern-Gen in der Meisterschaft zurück. Die Dominanz ist in den Spielen sehr groß. Viele andere Mannschaften stecken in der Umstrukturierung und haben viele Spieler verloren. Bayern hat den Kader fast komplett zusammengehalten und punktuell verstärkt. Daher führt kein Weg an Bayern vorbei.

Uli Hoeneß sagte einmal, der HSV wäre der einzige Verein, der dem FC Bayern in Bezug auf die Stadt und die Infrastruktur Konkurrenz machen könnte. War das auch Ihr Eindruck, als Sie 2008 von München nach Hamburg gewechselt sind?

Infrastrukturell kann ich diese Aussage von Uli Hoeneß nachvollziehen. Zu meiner Anfangszeit in Hamburg standen wir zweimal im Halbfinale des Uefa-Cups beziehungsweise der Europa League. Wir waren auf dem Weg, zum FC Bayern zumindest ein bisschen aufzuschließen. Leider brach der Verein dann auseinander. Es gab viele Wechsel im Verein und in der Mannschaft. Das Einzige, was geblieben ist, waren die tollen Fans. Es wurden viele gravierende Fehler gemacht. Das führte zum Einbruch – erst spielten wir um die internationalen Plätze, später dann gegen den Abstieg.

Und wie beurteilen Sie die Situation jetzt?

In den letzten sechs Jahren wurden im Gesamtverein viele Schulden abgebaut. Ich durfte selber ein Teil davon sein. Wir haben uns wirtschaftlich gut entwickelt, sind zurück in der Bundesliga und schuldenfrei. Das ist ein guter Anfang. Wichtig ist, dass der HSV in der Bundesliga bleibt. Dann werden wir sehen, was in zehn oder 15 Jahren möglich ist.

Wo sehen Sie den HSV in den kommenden Jahren – kann der Verein vielleicht eines Tages wieder in die Nähe des FC Bayern kommen?

Empfehlungen der Redaktion

Ich weiß nicht, ob man direkt einen Vergleich zum FC Bayern herstellen sollte. Aber von der Struktur und den Möglichkeiten her hat der Verein die Chance, in 10 bis 15 Jahren wieder oben ein Wörtchen mitzureden.

Über den Gesprächspartner

  • Marcell Jansen (Jahrgang 1985) wurde bei Borussia Mönchengladbach ausgebildet und entwickelte sich dort zum Profispieler. Im Jahre 2007 wechselte er zum FC Bayern München, ein Jahr später zum Hamburger SV, wo er bis 2015 spielte. Der frühere Außenverteidiger absolvierte 45 Länderspiele für Deutschland und nahm an den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 sowie der Europameisterschaft 2008 teil. Von Januar 2019 bis Juni 2025 war er Präsident des HSV.