Die Posse um Marc-Andre ter Stegen und den FC Barcelona schlägt immer neue Kapriolen. Für den Keeper scheint es nur einen Ausweg zu geben. Aber warum will Barca seinen Kapitän eigentlich loswerden?
Noch gibt es beim FC Barcelona keine Trainingsgruppe II, jedenfalls ist davon bis heute nichts bekannt. Die TSG Hoffenheim hatte damit einst für Schlagzeilen gesorgt und einen Präzedenzfall geschaffen für andere Klubs, die unliebsam gewordene Spieler in einer Schattenmannschaft zu parken, bis diese irgendwann entnervt aufgeben und den Verein wechseln.
Prominentester Spieler der Hoffenheimer Trainingsgruppe II war der damalige Nationaltorhüter
Ganz so weit hat sich der Zwist zwischen
Zwar hieß es, dass der Keeper wegen Rückenbeschwerden ein individuelles Programm absolvieren musste. Weil ein offizielles Kommuniqué des Klubs dazu aber bis heute auf sich warten lässt, bleibt genug Raum für Spekulationen aller Art. Unter anderem auch jene, die um die Frage kreist: Warum will Barca seine langjährige Nummer eins und den Kapitän der Mannschaft offenbar um jeden Pries loswerden?
Ist ter Stegen schlicht zu teuer?
Zwar befindet sich Barcelona zwar grundsätzlich auf dem Weg der langsamen Konsolidierung, dennoch sollen den Klub immer noch über eine Milliarde Euro Schulden drücken. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, zuletzt kursierten Meldungen über ein Finanzloch von rund 1,2 Milliarden Euro.
Nun fällt Marc-André ter Stegens Engagement nicht unter die von der spanischen Liga verfügten 1:1-Regelung, wonach für jeden ausgegebenen Euro bei einem Spielerzukauf auch wieder ein Euro durch einen Spielerverkauf eingenommen werden muss. Aber dem Klub steht es frei, diese Quote auch über Gehaltseinsparungen zu erzielen.
Bei einem kolportierten Jahressalär von 18 Millionen Euro und drei Jahren Vertragslaufzeit sind die Bezüge des Noch-Kapitäns ein bemerkenswert großer Posten im Gehaltsgefüge der Katalanen. Für einen Torhüter, der fortan allenfalls noch als Nummer drei geführt wird und kaum Chancen auf Einsatzzeiten haben dürfte, ein finanzieller Wahnsinn.
Barca wird sich einen Bankdrücker als einen der Topverdiener nicht leisten können und deshalb eine immer härter werdende Linie fahren. In der Hoffnung, den Spieler zur Not im Verlauf der kommenden Wochen zu zermürben.
Gibt es noch Altlasten aus der Nationalmannschaft?
In einem Gespräch soll
Bei der deutschen Nationalmannschaft unter dem damaligen Bundestrainer Flick war für ter Stegen nie ein Vorbeikommen an Manuel Neuer. Vor der WM 2022 hatte sich der Barca-Keeper veritable Chancen auf den Platz zwischen den Pfosten ausgerechnet, wurde von Flick dann aber ausgebremst.
Seitdem soll das Verhältnis nicht immer frei von Spannungen gewesen sein. Dass diese angeblichen Disharmonien nun aber den Ausschlag gegen ter Stegen gegeben haben sollen, ist eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist dabei womöglich noch ein anderer Faktor außerhalb finanzieller Überlegungen.
Traut Barca ihm kein "echtes" Comeback mehr zu?
Die erste schwere Verletzung seiner mittlerweile schon 15-jährigen Karriere ereilte ihn im letzten Herbst. Der Riss der Patellasehne setzte ter Stegen rund ein dreiviertel Jahr außer Gefecht, das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Superpokal holte die Mannschaft nahezu ohne seine Hilfe.
Nun wäre ter Stegen bereit für seine zwölfte Saison bei den Blaugrana. Aber ist er auch spielfit genug? Und vor allen Dingen: Trauen sie ihm bei Barca eine fulminante Rückkehr im fortgeschrittenen Alter auf sein vorher gezeigtes Niveau noch zu? Die ersten Minuten nach seiner schlimmen Verletzung sammelte er noch in der jüngst abgelaufenen Saison.
Im Spiel gegen Valladolid (2:1) durfte ter Stegen zwar ran, war aber nur der Ersatz für Wojciech Szczesny. Der Pole spielte die beiden Champions-League-Halbfinals gegen Inter, die um die Partie in Valladolid herum stattfanden. Ter Stegen war also eine Art Platzhalter für Szczesny, der sich für das große Ziel, den Champions-League-Triumph, schonen sollte. Nur wenige Tage später stand der Pole schließlich im vorentscheidenden Ligaspiel gegen Real wieder zwischen den Pfosten.
Erst im bedeutungslosen Spiel gegen Villarreal durfte ter Stegen noch ein zweites Mal ran, bei der 2:3-Niederlage wurde der Keeper von seinen feiermüden Vorderleuten aber ziemlich im Stich gelassen. So blieben als Standortbestimmung nur noch die zwei Spiele mit Deutschland in der Nations League - die ebenfalls beide verloren gingen.
Offizielle Aussagen zu ter Stegens Leistungsvermögen sind nicht zu vernehmen. Die Vermutung, dass nicht alle im Klub bedingungslos davon überzeugt sind, den "alten" ter Stegen nach einer derart schweren Verletzung wiederzusehen, hält sich aber hartnäckig. Alte Meriten, über 400 Spiele für Blaugrana und 19 errungene Titel, zählen jetzt gar nichts mehr.
Ist Ter Stegen ein Spielball der Klubpolitik?
Vielleicht hat die Posse aber auch einen viel größeren Hintergrund. Im vergangenen Sommer leistete sich Barca unter anderem Dani Olmo, bekam mit dem ehemaligen Leipziger aber allerhand Probleme frei Haus geliefert. Das Theater um Olmos Registrierung im Winter ist noch zu gut im Gedächtnis, ein Abgang des erst frisch zugekauften Offensivspielers stand mehrmals im Raum.
Weil aber Olmos Berateragentur "Niagara Sports" zumindest öffentlich keine Anstalten machte oder Druck auf Barca und dessen Präsidenten Joan Laporta ausübte, bekamen die Katalanen das Dauerthema irgendwann doch noch in den Griff. Die Großzügigkeit der Berater Andy Bara und Juanma Lopez war relativ ungewöhnlich in diesem Geschäft, stand doch immerhin die Karriere eines ihrer besten Spieler auf dem Spiel.
Die Episode bekam spätestens vor ein paar Tagen aber ein Geschmäckle. Die Gerüchte halten sich hartnäckig, dass Laporta und Barca dem findigen Duo eine Art Gefallen schuldig gewesen sein könnten und die Olmo-Saga als Startrampe für den Transfer des Sommers benutzt wurde: Joan Garcia ist zufällig Klient bei "Niagara Sports", der Deal ging über Lopez‘ und Baras' Schreibtisch und ließ beide daran wohl recht üppig verdienen. Garcia ist als neue Nummer eins fest eingeplant, sein Transfer erst brachte die ganze Sache so richtig ins Rollen.
Die Sache mit der letzten Chance
Anders als bei Barca ist ter Stegen bei Julian Nagelsmann und der deutschen Nationalmannschaft immer noch die unumstrittene Nummer eins. Und als solche soll der mittlerweile 33-Jährige auch in die WM im kommenden Jahr in Kanada, den USA und Mexiko gehen.
Für ter Stegen soll sich nach Jahren des Wartens endlich die Chance bieten, sich bei einem großen Turnier zu zeigen und im besten Fall mit der Mannschaft zu reüssieren. Aber: In diesen Wochen könnte sich nicht nur ter Stegens Zukunft auf Klubebene entscheiden, sondern auch sein Wohl und Wehe bei der DFB-Auswahl. Mit dann 34 Jahren könnte es die erste und letzte WM sein, die ter Stegen als Stammkraft spielen darf.
Als Nummer drei bei Barca und ohne Spielpraxis kann eine Saison aber verdammt lang werden und die Karten auch bei Nagelsmann noch einmal ganz neu mischen. Ter Stegen benötigt einen ambitionierten Klub, bei dem er nach seiner Verletzung wieder sein Niveau erreichen und sich auf den großen europäischen Bühnen zeigen kann.
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Aus rein finanziellen Gesichtspunkten könnte es sich ter Stegen nun bequem machen, aus sportlicher Sicht liegt der komplette Druck aber bei ihm. Ein Wechsel aus Barcelona schient unter den gegebenen Voraussetzungen unausweichlich.