Am Freitag startet mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig die neue Bundesliga-Saison. Wie unruhig wird es beim FC Bayern? Sind Vincent Kompany und Max Eberl jetzt schon angezählt? Wer sind die Verfolger, die dem Rekordmeister gefährlich werden können?
Wir haben mit dem Dazn-Experten Sebastian Kneißl über den FCB, der sich neu definiert, gesprochen, aber auch über die Konkurrenten BVB, Leverkusen, Leipzig und Frankfurt. Und auch über die legendäre Samstagskonferenz, die der Streamingdienst in dieser Saison erstmals überträgt.
Herr Kneißl, wie schlagbar sind die Bayern in der neuen Saison?
Sebastian Kneißl: Mein Gefühl aus der vergangenen Saison bestätigt sich: Dass sich unter
Wie bewerten Sie die Transferaktivitäten, die in der Kritik stehen?
Heutzutage hast du generell das Problem, dass Transfers unglaublich transparent geworden sind. Diese Transparenz beeinflusst auch die Dynamik: finanziell, zeitlich, strategisch. Dazu kommt: Hausintern war auch nicht alles störungsfrei. Da gab es Zitate, die vielleicht unglücklich gesetzt waren und das erschwert die Gesamtdynamik zusätzlich.
In dem Zusammenhang gab es auch die Kritik, Bayern sei nicht mehr attraktiv genug, weil einige Spieler abgesagt haben. Wie attraktiv ist der FC Bayern heute noch?
Der FC Bayern ist nach wie vor eine der absoluten Top-Adressen im Weltfußball. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es in den letzten drei, vier Jahren – gerade auf der Trainerposition – unruhiger war und entsprechend weniger Titel dazukamen. Gleichzeitig spürt man: Bayern definiert sich gerade neu, das berühmte Mia san Mia wird auch neu interpretiert. Es gibt aber eine ganze Reihe von Vereinen, die nicht nur sportlich mithalten, sondern auch finanziell alles auf den Tisch legen können. Und genau das macht es für die Bayern schwerer mitzuhalten.
Unruhe gibt es beim FC Bayern zwangsläufig
Wie viel Unruhe wird es in der neuen Saison rund um den Klub geben?
Unruhe kommt fast zwangsläufig, wenn ein Klub wie der FC Bayern sich neu definiert – ob man es nun Umbruch, Neudefinition oder Umstrukturierung nennt. Sportlich haben sie die Ziele erreicht. Und darauf gilt es jetzt aufzubauen. Also: Ja, es wird Nebengeräusche geben, denn beim FC Bayern gibt es die immer. Aber sportlich sind sie absolut im Soll. Im Kern geht es darum, den Fokus aufs Sportliche zu legen. Denn genau darüber erarbeitest du dir Ruhe.
Eberl stand zuletzt sowieso andauernd in der Kritik und auch Kompany wird genau beobachtet. Sind die beiden schon vor Saisonstart leicht "angezählt"?
Kompany auf gar keinen Fall. Er hat bislang absolut das erfüllt, was er erfüllen musste. Ich persönlich würde ihn noch öfter vor die Kamera schicken. Er gefällt mir in dieser Rolle ausgesprochen gut – wie er Druck rausnimmt, rhetorisch stark ist, souverän im Umgang mit unangenehmen Fragen. Das kann ein entscheidender Faktor sein, um das Klima rund um den Klub positiv zu beeinflussen.
Eberl wirkte allerdings nicht immer souverän…
Es gab ein, zwei Momente, in denen ich dachte: "Die Aussage war jetzt unglücklich." Er ist manchmal zu schnell auf eine Frage aufgesprungen, hat etwas patzig reagiert. Da würde ich mir von Eberl insgesamt etwas mehr Souveränität wünschen, denn gerade die ist auf dieser Position extrem wichtig. Aber "angezählt" im Sinne von: Er muss schon Angst haben, dass er bei ein paar schwachen Spielen oder misslungenen Transfers sofort raus ist – das sehe ich nicht.
Beide werden also das Ende der Saison erleben?
Davon gehe ich fest aus. Aber auf beiden Seiten fordere ich eine Weiterentwicklung. Bei Kompany bin ich vor allem sportlich gespannt. Wie bindet er Harry Kane ein, der nicht mehr der Allerfitteste ist? Wie managt er die Spielzeit, wie gestaltet er die Balance im Kader? Genau daran wird man ihn messen. Bei Eberl geht es eher um Kreativität und Mut. Kann er mal einen Transfer landen, der nirgendwo auf dem Zettel stand? Eine Überraschung, vielleicht auch eine riskantere Option? Und gleichzeitig muss er den Bayern-Campus endlich sichtbar einbinden.
Gibt es national denn überhaupt einen ernsthaften Verfolger?
Es gibt Verfolger, wie Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt oder RB Leipzig. Aber jeder dieser Klubs hat seine eigenen Baustellen, die er erst einmal bearbeiten muss.
"Wir wissen, wie schwer es in Dortmund wird, wenn du in den ersten vier, fünf Spielen nicht punktest"
Das Problem in Dortmund war selten die sportliche Qualität, sondern immer die inzwischen fast langweilige Mentalitätsfrage. Bekommt Niko Kovac das über eine Saison hinweg in den Griff?
Er hat zumindest diese Schwere, dieses Damoklesschwert der Mentalitätsfrage, erstmal souverän zur Seite gelegt. Trotzdem sage ich: abwarten. Wir wissen, wie schwer es in Dortmund wird, wenn du in den ersten vier, fünf Spielen nicht punktest. Dann wird der Druck sofort riesig. Und genau das haben mir auch Spieler vermittelt: Diese Wucht, die dich tragen kann, kann dich im Negativfall auch brutal erdrücken.
Erübrigt sich damit die Frage, ob Dortmund Ihrer Meinung nach wieder die Nummer zwei werden kann, die sie ja immer sein wollen?
Eine eindeutige Nummer zwei gibt es aktuell nicht. Dortmund ist vom Standing her immer oben dabei, aber sportlich müssen sie Konstanz beweisen. Und Leverkusen bleibt zumindest ein Faktor, der Dortmund diese Rolle streitig machen kann.
Warum sind denn so viele Leistungsträger förmlich aus Leverkusen geflüchtet?
Der große Schlüssel war der Trainer.
Ist Erik ten Hag der Richtige für diesen doch ziemlich harten Umbruch?
Sportlich ist er auf jeden Fall der Richtige. Ich bin gespannt, was er aus seiner Zeit bei Manchester United mitgenommen hat. Er kennt inzwischen große Vereine, er kennt die Schwere solcher Klubs. Das sind Erfahrungen, die du nutzen kannst, um einen neuen Flow zu entwickeln. Dass er jetzt die Strategie fährt, verstärkt auf junge Spieler zu setzen, deutet für mich darauf hin, dass die Ansprüche kurzfristig gar nicht maximal hoch gehängt werden. Spannend wird sein, wie er sich im Umgang mit Medien präsentiert. Denn er kann auch mal knorrig wirken – ein bisschen in der Tradition von Huub Stevens. Das kann charmant sein, aber auch anecken.
Wie groß ist der Klopp-Einfluss bei RB?
Bei RB Leipzig kann man auch von einem Umbruch sprechen. Passt der Status Quo zu den generell hohen Ambitionen?
Leipzig ist abgekommen von dem, was sie stark und groß gemacht hat: dieses wilde, freche Umschaltspiel. Stattdessen hat sich eine gewisse Selbstzufriedenheit eingeschlichen, hinzu kam ein alternder Kader und plötzlich bist du in einer unglücklichen Position. Ihr Ziel ist jetzt klar: den Kader verjüngen und verdiente Spieler von der Payroll bekommen. Mit Ole Werner wollen sie zu einem Fußball zurück, der wieder näher an die alte RB-DNA heranführt: jung, aggressiv, dynamisch, viel Tempo in Umschaltsituationen. Und der erste Eindruck deutet darauf hin, dass sie wieder mehr in Richtung "altes RB" gehen.
Wie groß ist denn der Einfluss von Jürgen Klopp insgesamt auf das, was RB Leipzig da jetzt auf den Platz bringt?
Was man zuletzt gesehen hat, hatte schon ganz klar Züge, die man aus Klopps Fußball kennt. Aber genau dafür hat man ihn ja auch ins Boot geholt: für seinen Einfluss, für seine Ideen. Und wenn das den Verein nach vorne bringt, dann ist das die richtige Mischung.
Bei der Eintracht gab es mal wieder Abgänge. Dazu kommt die Dreifachbelastung. Und trotzdem bleiben sie oben dabei?
Das ist die Herausforderung: Du musst es sportlich immer wieder auffangen. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie es schaffen, ihre Rolle oben in der Bundesliga zu behaupten. Transfers wie Jonathan Burkardt zeigen, dass Qualität dazukommt. Abgänge der Stars wie Omar Marmoush oder Hugo Ekitike können nur schwer aufgefangen werden, aber das funktioniert über die Breite. Ich bin überzeugt: Die Eintracht bleibt national wie international ein spannender Faktor, denn sie wissen, was sie tun, sportlich wie wirtschaftlich.
Welche Trainer sitzen auf dem heißen Stuhl?
Es wird wahrscheinlich schon vor dem zehnten Spieltag Entlassungen geben. Ich habe große Bedenken bei Union Berlin. Da fehlt mir nach wie vor die Chemie zwischen Spielphilosophie und Kader. Auch Hoffenheim kann unten hineinrutschen. Und dann kommen die üblichen Verdächtigen hinzu wie St. Pauli, Heidenheim, Köln und der HSV. Diese Vereine stehen auf der Trainerposition schneller unter Druck. Wenn du ums Überleben in der Liga kämpfst, hast du nicht die gleiche Geduld. Und auch beim VfL Wolfsburg sehe ich viel Druck, weil die Erwartungshaltung hoch ist und die letzten Jahre unruhig waren.
Ist die Konferenz noch attraktiv?
Dazn hat die Samstagkonferenz von Sky übernommen. Angesichts der Partien: Ist die überhaupt noch attraktiv?
Die Konferenz bleibt attraktiv. 15:30 Uhr ist einfach eine Zeit, die für die junge Generation wie für die ältere ein Ritual geworden ist – Tradition pur. Sie spielen darauf an, dass die Topmannschaften durch die internationalen Belastungen oft sonntags spielen. Das stimmt. Aber nimmt das der Konferenz ihre Dynamik? Nein. Am Ende kommt es darauf an, wie wir sie übertragen, wie wir sie leben.
Und wie will Dazn sie leben?
Unser Ansatz ist: ein bisschen schneller, ein bisschen direkter, mehr "bam, bam, bam". Das heißt konkret: Lieber mal rüberschalten, auch wenn es "nur" eine Ecke gibt, anstatt noch 30 Sekunden Mittelfeldgeplänkel zu zeigen. Wir wollen das Tempo hochhalten, öfter die Perspektive wechseln – und damit auch Spiele interessant machen, die vom Namen her vielleicht nicht so ziehen. Wir wollen keine Kopie sein, sondern Konferenz im Dazn-Style machen. Das, was funktioniert hat, behalten wir und bringen unsere eigene Note mit rein. Dadurch wird es automatisch anders –im besten Sinne.
Nach 25 Jahren Konferenz bei Sky: Wie demütig sollte man da sein und wie experimentierfreudig darf man sein?
Wir wollen das bestmögliche Erlebnis rüberbringen, aber nicht in ständigen Vergleichen denken. Demut heißt also: keine falschen Übertreibungen, keine reinen Zahlen-Vergleiche, sondern Wertschätzung und Respekt für das, was war. Experimentierfreude heißt: Wir probieren Dinge aus. Wir sind im Stadion, wir haben Features wie Multiview, wir wollen die Konferenz noch schneller, noch analytischer machen, näher am Spiel, näher an den Köpfen der Spieler und Trainer.
Wie viel Einfluss hat man als Sender auf den Erfolg eines Formats, das mit dem Sportlichen steht und fällt?
Empfehlungen der Redaktion
Es geht darum, ein Spiel, das vielleicht nicht vor Highlights sprüht, trotzdem auf ein anderes Level zu heben. Das funktioniert durch Präsentation, durch Erzählung, durch die Art, wie wir es transportieren. Natürlich gibt es Spiele, die phasenweise zäh sind. Genau da kommt unsere Aufgabe ins Spiel: Entertainment. Herausfiltern, was trotzdem interessant ist. Den Zuschauern auch in solchen Phasen etwas mitzugeben, was ihnen Spaß macht, was sie spannend finden. Denn am Ende geht alles über Storytelling. Für mich ist das fast schon kein Qualitätsmerkmal mehr – es sollte Standard sein in unserem Beruf.
Über den Gesprächspartner
- Sebastian Kneißl wagte 2000 mit nur 17 Jahren als vielversprechendes Talent (U19-Vize-Europameister) den Sprung von Eintracht Frankfurt zum FC Chelsea, kam dort aber nicht bei den Profis zum Einsatz. Er spielte anschließend unter anderem für Fortuna Düsseldorf und Wacker Burghausen. 2014 beendete Kneißl aufgrund einer Sportinvalidität seine Profikarriere. Seit 2016 ist er unter anderem bei Dazn als Experte tätig.