Gnadenlos gescheitert - sowohl an sich selbst als auch am Gegner. Das 0:4-Debakel im Halbfinalrückspiel der Champions League gegen Real Madrid zeigt: Dem FC Bayern München fehlt es an Variabilität und Effektivität. Pep Guardiola setzt gegen die Spanier sowohl auf die falsche Taktik als auch auf die falschen Spieler. Der Katalane muss sein System hinterfragen - auch im Hinblick auf das DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund.

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Pep Guardiola brachte es nach dem Abpfiff auf den Punkt. "Wir müssen uns Gedanken machen, ob diese Spielweise für diese Spieler das beste Rezept ist." Der Coach des FC Bayern München verpasst sich selbst die verbale Ohrfeige und hinterfragt offen seine fürs Real-Spiel auserwählte Taktik. Das ehrt den Spanier zwar, doch die Frage drängt sich auf: Hat Guardiola überhaupt eine andere Taktik in seinem Repertoire?

Knackpunkt 1: Bayern fehlt die Variabilität

Eines ist offensichtlich: Der Bayern-Trainer hat die falschen Schlüsse aus dem Hinspiel gezogen. Schon in Madrid kontrollierten die Münchner das Geschehen, kreierten aber über 90 Minuten lang kaum Torgefahr. Real konterte hingegen effektiv und schoss das entscheidende Tor durch Karim Benzema. Ähnlich verläuft es sechs Tage später. Der FCB dominiert mit 69 Prozent Ballbesitz, hat aber nicht eine zwingende Aktion nach vorne. Die Frage, die sich viele Fans stellen: Warum reagiert Guardiola darauf nicht? Einfache Antwort: Er kann es nicht, weil er keinen Plan B hat. Kein System, das nicht auf massivem Ballbesitz fußt. Knackt ein Gegner den Pep-Code und nimmt zudem noch Arjen Robben und Franck Ribery aus dem Spiel, wirken die Münchner hilflos.

So auch gegen Real: Immer wieder versuchen es die Bayern gegen die Madrilenen über die Außen - immer wieder bleiben diese an der Abwehr hängen. Auch, weil sich selbst Superstar Gareth Bale nicht zu schade ist, hinten auszuhelfen.

Im der Offensive ist Real gnadenlos effektiv: Drei Standards und ein Konter bescheren den Königlichen den verdienten 4:0-Erfolg. "Wir haben angegriffen, wir waren da, aber wir haben zwei Tore aus Standards bekommen. Und dann weißt du, dass es vorbei ist", sagte Robben nach dem Spiel. Mit anderen Worten: Die Bayern haben sich nach 20 Minuten aufgegeben.

Knackpunkt 2: Guardiola setzt gegen Real auf die falschen Spieler

"Wir haben schlecht gespielt, das ist meine Verantwortung, da habe ich mich vertan", sagt Guardiola. Der Trainer nimmt einen Großteil der Schuld für die Klatsche auf sich - und das zu Recht. Denn so überragend seine Leistungen als Trainer des Triple-Siegers lange Zeit waren, umso gravierender sind die Fehler in den zurückliegenden Spielen. In Madrid verzichtet er zu lange auf den "Wurschtler" Thomas Müller, dem es noch am ehesten zuzutrauen ist, das ineffektive Hin- und Hergeschiebe mit seiner unkonventionellen Spielweise zu durchbrechen. Im Rückspiel setzt Guardiola auf Toni Kroos und lässt Javi Martinez wie schon in Madrid in der ersten Halbzeit auf der Bank. "Wir hatten nur Basti und Toni im Mittelfeld, da kannst du Madrid nicht kontrollieren", fährt Guardiola mit seinem Schuldeingeständnis fort. Zudem hat Kroos defensiv große Probleme, steht bei den Kontern der Gäste meist zu weit weg von seinen Gegenspielern.

Erst mit Martinez verbessert sich das Defensivpressing der Bayern enorm. Doch da steht es bereits 3:0 für Madrid. Vor allem deshalb, weil die Münchner die gegnerischen Standards nicht in Mann- sondern in Raumdeckung verteidigen. Sergio Ramos nutzt dies aus und netzt innerhalb von vier Minuten doppelt ein.

Knackpunkt 3: Bayern hat Probleme mit konter- und kopfballstarken Gegnern

Für die Roten endet diese Champions-League-Spielzeit also nicht mit einer historischen Titelverteidigung, sondern mit einer Demütigung im eigenen Stadion. Doch so sehr die Niederlage gegen Real schmerzt: Noch ist die Saison für den Deutschen Meister nicht gelaufen. Am 17. Mai duellieren sich die Münchner im DFB-Pokalfinale mit Borussia Dortmund.

Anders als noch vor wenigen Wochen gedacht, werden die Bayern nicht als klarer Favorit in die Partie gehen. Vor allem, weil der BVB ähnlich spielt wie Real. Dortmund operiert gegen die großen Gegner mit wenig Ballbesitz, hat dafür ein extrem starkes Umschaltspiel gepaart mit gefährlichen Standards. Bei Freistoßflanken agieren die Dortmunder stets nach dem gleichen Schema. Der Ball wird mit viel Effet an den ersten Pfosten geschnitten, von dort soll er in die lange Ecke verlängert werden. Eine simple Taktik, die ungemein schwer zu verteidigen ist. Und dass die Bayern Probleme gegen starke Kopfballspieler haben, zeigt das Match gegen Real.

Knackpunkt 4: Ribery bleibt im Formtief - und verliert die Nerven

Die internationale Presse spricht nach dem Debakel im eigenen Stadion von einer "beispiellosen Demütigung" - und übertreibt damit keineswegs. Denn was die Münchner ihren Fans im Stadion und an den TV-Bildschirmen bieten, ist Hilflosigkeit in Reinform, die zudem immer wieder in Frust umschlägt. So hätte der erneut schwache Franck Ribery nach einer Ohrfeige gegen Daniel Carvajal die Rote Karte sehen müssen. Es war die auffälligste Aktion des Franzosen, der das Privatduell mit Cristiano Ronaldo mit galaktischem Abstand verlor.

Knackpunkt 5: Bayern spielt nach den Gegentoren leidenschaftslos

Doch an Ribery allein lag es nicht. Mit Ausnahme des schuldlosen Torwarts Manuel Neuer erreichte kein Spieler die Form, die notwendig ist, um eine Mannschaft wie Real Madrid zu bezwingen. "Wir müssen uns alle hinterfragen", gestand Kapitän Philipp Lahm. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bemängelte fehlende Grundtugenden: "Wir haben zu wenig Leidenschaft in die Waagschale gelegt, um den Gegner damit zu beeindrucken. Wir haben ein Stück weit unsere Grenzen aufgezeigt bekommen."

Real-Star Bale analysierte nach dem Spiel kurz und prägnant: "Unsere Taktik ist voll aufgegangen." Im Gegensatz zu den Bayern hat Madrid davon mehr als nur eine.

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