Real Madrid erlebte eine Saison zum Vergessen, auch neben dem Platz sorgten die Königlichen für reichlich Drama. Mit Rückkehrer Xabi Alonso soll nun alles besser werden. Da kommt die Klub-WM wie gerufen.

Eine Analyse
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Wohl kein anderer Fußballklub auf der Welt steht so für Glanz und Eleganz wie Real Madrid. Das "weiße Ballett", die "Galaktischen", die "Königlichen": Real Madrid ist ein in einen Verein gegossener Superlativ.

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In der vergangenen Spielzeit bewegte sich der mit Superstars gespickte Klub aber nicht in galaktischen Sphären. Im Gegenteil. Am Ende bekam die große Titelvitrine in Madrid – abgesehen vom eher bedeutungslosen Fifa Interkontinental-Pokal und dem Uefa-Supercup – keinen Zuwachs. Weder Meisterschaft noch Pokal oder Champions League gingen am Ende an Real. Den Königlichen blieb in allen Wettbewerben lediglich die Rolle des Zuschauers.

Schwächelnde Defensive mit namhaften Spielern verstärkt

Ein Grund für den fehlenden sportlichen Erfolg war die schwächelnde Defensive. 38 Gegentore fing sich Real in der Liga, zuletzt waren es vor sechs Jahren mehr. Wobei zur Verteidigung der Verteidigung auch festgehalten werden muss, dass sie von schweren Verletzungen (Daniel Carvajal, Éder Militao, David Alaba) geplagt war und Trainer Carlo Ancelotti einen Großteil der Saison nicht mit seiner Wunsch-Viererkette spielen konnte.

Auch deshalb lag der Fokus in Sachen Transfers bisher auf der Abwehr: Mit Dean Huijsen und Trent Alexander-Arnold verpflichtete Real schnell zwei wichtige Neuzugänge für die Defensive. In der Hoffnung, dass es kommende Saison deutlich weniger Gegentore zu beklagen gibt.

Wenn sich die Diven auf den Füßen stehen

Doch auch vorne haperte es im Star-Ensemble der Königlichen – und das lag weniger an Verletzungen. Vielmehr standen sich die Offensiv-Stars um die teils divenhaft agierenden Vinicius Jr. und Kylian Mbappé auf den Füßen und damit im Weg. Hinzu kam: Jude Bellingham, der in seiner Debütsaison für Real noch deutlich torgefährlicher war, agierte in seiner zweiten Spielzeit in Spanien weiter hinten – seine Torgefahr nahm dadurch drastisch ab.

Was die Horror-Saison von Real der eigenen Ansicht nach noch schlimmer macht: Der FC Barcelona, der ewige Rivale, zeigte unter Trainer Hansi Flick Fußball zum Genießen und ein Offensivspiel der Extraklasse. Besonders bitter: Real konnte kein einziges Duell der Katalanen für sich entscheiden, in allen vier Spielen ging Barca als Sieger vom Feld. Vor allem die Pleite in der Copa del Rey (3:2 n.V.) sowie im Supercopa (2:5) dürften besonders schwer wiegen. Da geraten das 0:4 im Liga-Hinspiel sowie die 4:3-Pleite im Rückspiel fast schon in den Hintergrund. Barcelona war in der abgelaufenen Spielzeit einfach eine Klasse besser.

Real und der unsägliche Boykott der Ballon-d'Or-Gala

Doch vor allem abseits des Platzes verhielten sich die Königlichen in den vergangenen Wochen und Monaten wenig majestätisch, vielmehr sorgten sie mit ihrem Verhalten immer wieder für Unverständnis und Kopfschütteln. Mitunter lieferte Real dabei hollywoodreifes Drama.

So zum Beispiel bei der Verleihung des Ballon d'Or, als der bereits im Vorfeld sicher geglaubte Sieger Vinicius Jr. doch nicht gewann und stattdessen Rodri von Manchester City die begehrte Auszeichnung erhielt. Die Reaktion in Spaniens Hauptstadt? Die Real-Delegation boykottierte kurzerhand die Veranstaltung in Paris und reiste gesammelt nicht an. Der Eklat war perfekt, nebenbei präsentierten sich die erfolgsverwöhnten Madrilenen als ganz schlechte Verlierer.

Madrid startet Kampagne gegen spanischen Schiedsrichter

Daneben brachte Real in der zurückliegenden Saison eine wahre Schmutz-Kampagne gegen die spanischen Schiedsrichter ins Rollen. Der Verein beschwerte sich regelmäßig über Entscheidungen der Unparteiischen und forderte schließlich in aller Öffentlichkeit eine Reform des spanischen Schiedsrichterwesens. Gleichzeitig erhob der Weltklub heftige Anschuldigungen gegen den spanischen Fußballverband RFEF. Das System habe sich als "von innen heraus korrupt erwiesen", hieß es in einer Vereinsmitteilung.

Trauriger Höhepunkt: Das Pokalfinale gegen Barcelona, das, wie bereits erwähnt, verloren ging. Aus Sicht der Madrilenen lag das an Schiedsrichter Ricardo de Burgos Bengoetxea. Nationalspieler Antonio Rüdiger war in der hitzigen Schlussphase der Partie dermaßen aufgebracht, dass er von der Bank aus einen Eisbeutel in Richtung des Unparteiischen warf, daraufhin (folgerichtig) die Rote Karte sah und für sechs Spiele gesperrt wurde.

Real rückt Schiedsrichter mit falschen Zahlen ins schlechte Licht

Der Schiedsrichter stand ohnehin im Fokus, da er vor dem Spiel unter Tränen über den von Real ausgeübten Druck geklagt hatte. Der Klub hatte de Burgos Bengoetxea in ihrem TV-Kanal kritisiert und für einen Beitrag dessen vermeintlich falsche Entscheidungen gegen Real gesammelt.

Ähnlich erging es wenig später Schiedsrichter Alejandro Hernández Hernández. Auch hier wurde auf dem vereinseigenen TV-Kanal Stimmung gegen den Unparteiischen gemacht – diesmal vor dem Clásico gegen Barca in der Liga. Diesmal griffen die Verantwortlichen teilweise sogar auf falsche Zahlen zurück, um Hernández Hernández zu diskreditieren.

Alonso übernimmt für Ancelotti

Zwischenzeitlich schien es tatsächlich so, als entgleite dem sonst so erfahrenen Carlo Ancelotti im Kosmos der Königlichen die Kontrolle. Vielleicht ist es auch bezeichnend, dass es am Ende dieser brisanten (und wenig erfolgreichen) Saison zu einem Ende der Zusammenarbeit kam.

Ancelotti blickte dennoch mit Stolz auf die Zeit in Madrid, die zuvor ja zweifellos recht erfolgreich war, zurück. "Hätte man mir gesagt, dass ich elf Titel in vier Jahren gewinnen würde, hätte ich das mit meinem Blut unterschrieben", sagte der Italiener kurz vor seinem Abgang. "Nicht alles war perfekt, aber es gab unvergessliche Nächte im Bernabéu. Real wird immer einen Platz in meinem Herzen haben."

Ancelottis Abgang, der künftig die brasilianische Nationalmannschaft und damit seine Real-Zöglinge Vinicius Jr. und Rodrygo weiterhin trainieren wird, machte Platz für den Wunschkandidaten von Vereinspräsident Florentino Pérez: Xabi Alonso.

"Dies ist ein herausfordernder Klub."

Real-Präsident Florentino Pérez

Der Spanier führte Leverkusen in der Saison 2023/24 zum Double und begeisterte mit spektakulärem Offensiv-Fußball und einer schier unglaublichen Ungeschlagen-Serie von 51 Partie ohne Niederlage. Die einzige Niederlage in dieser Spielzeit fing sich die Werkself im Finale der Europa League gegen Atalanta Bergamo (0:3), ansonsten dürfte sich Alonso nun Triple-Trainer nennen.

Schon damals deutete vieles darauf hin, dass Alonso früher oder später bei seinem Ex-Klub in der spanischen Hauptstadt aufschlagen würde. Alonso war als Spieler fünf Jahre für die Königlichen aktiv (2009 - 2014) und feierte mit Real große Erfolge. So wurde er unter anderem Champions-League-Sieger, spanischer Meister sowie zweifacher Pokalsieger.

Pérez würdigte Alonso bei dessen offizieller Vorstellung als eine der "größten Legenden" des spanischen Fußballs. "Du hast mit Bayer Leverkusen die Bundesliga gewonnen und Geschichte geschrieben. Du bist einer der besten Trainer der Welt", sagte Pérez.

Xabi Alonso
Xabi Alonso spielte von 2009 bis 2014 für Real, jetzt trainiert er die Madrilenen. © IMAGO/ZUMA Press Wire/Oscar J. Barroso

Gleichzeitig machte der Real-Boss klar, was er vom neuen Trainer erwartet: "Du kehrst zurück, um dich einer der größten Herausforderungen deines Lebens zu stellen. Jetzt bist du wieder zu Hause. (...) Dies ist ein herausfordernder Klub."

Und falls es Alonso nicht ohnehin schon wusste: Real ist nicht nur herausfordernd, als Nachfolger von Ancelotti steht er vor einer "gigantischen Herausforderung", er müsse sich gleich den "zwölf Aufgaben des Herkules" stellen, wie Reals Haus- und Hofzeitung "Marca" schrieb.

Alonso kann mit Real gleich den ersten Titel gewinnen

Eine erste Chance, sich zu beweisen und Real wieder in die richtige Richtung zu lenken, hat Alonso bereits in wenigen Tagen. Denn ein Weltklub wie Real Madrid darf bei der komplett reformierten Klub-WM der Fifa in den USA natürlich nicht fehlen. Die Königlichen starten am kommenden Mittwoch gegen Saudi-Klub Al-Hilal ins Turnier.

"Ich spüre, dass Verein und Fans vereint sind. Wir haben ein hochtalentiertes Team, wir haben große Überzeugung", sagte Alonso bei seiner Vorstellung. Er sei "überzeugt, hier etwas Schönes zu gestalten". Oder, um besonders bildlich zu sprechen: Alonso möchte den strauchelnden Riesen wieder in galaktische Dimensionen befördern.

Sein Ziel ist klar: Emotionen wecken, Begeisterung entfachen, die Menschen ins Stadion holen. Damit die zurückliegende Horror-Saison möglichst schnell vergessen wird.

Verwendete Quellen

  • sid